Musik

24.02. | Album der Woche

Gorillaz • Cracker Island

Parlophone

24.02. | Album der Woche  - Gorillaz • Cracker Island

Foto: Warner Music


Kein Affentheater

Eine schlechte Platte müssen die Gorillaz erst noch aufnehmen, oder genauer gesagt, sich in ihre illustrierte Vita schreiben lassen. Die Erfinder von Sänger 2D, Bassist Murdoc Niccals, Schlagzeuger Russel Hobbs und dem japanischen Gitarren-Wunderkind Noodle wussten das bisher zu vermeiden. Als der Comiczeichner Jamie Hewlett und sein Mitbewohner Damon Albarn um die Jahrtausendwende gelangweilt das substanzlose Programm auf MTV verfolgen, wächst bei den beiden die Idee für eine virtuelle Band. Albarn, der mit Blur in den 1990er Jahren Britpop-Geschichte schreibt, schwebt ein provokanter Kommentar vor, gegen die plastische Fassade jener Künstler, die über die Mattscheibe flimmern. Es kommt allerdings etwas anders. Die originelle Verbindung von virtuellen und realen Leben und die artistische Verknüpfung von Animationen, Storytelling und schwer zu kategorisierender Musik, lassen die Idee vom vorgehaltenen Spiegel nicht so recht aufgehen. Dafür ist das Konstrukt Gorillaz von Beginn an zu eingeständig und raffiniert. Rock, elektronische Spielereien, Hip-Hop und eine grundlegende stilistische Offenheit sind von Beginn an so obligatorisch wie die Gästeliste, die auch auf ihrem achten Album »Cracker Island« erneut namhaft ausfällt. So besticht etwa »New Gold« mit Gastauftritten von Tame Impala & Bootie Brown und jener coolen britischen Lässigkeit, die sich in Form der Gorillaz mehr in die Sonne traut, als es der Sonnenschutzfaktor gestattet. Inzwischen geht es aber ohnehin längst um andere Dinge. Etwa darum, mit sozialkritischen Texten Substanzielles zu liefern, wie in der elektronischen Ballade »The Tinder Influencer«. Oder aber die mindestens so gewichtige visuelle Ebene weiter auszureizen und immer wieder neu zu erfinden. So schieben Hewlett und Albarn ihre Band jetzt mehr denn je in den Großstadtdschungel. Das immersive Live-Performance-Video zur Singleauskopplung »Skinny Ape« ist dafür ein eindrückliches Indiz, wenn die Bandfiguren vor der New Yorker Skyline und einem echten Publikum auftreten und gleichzeitig ihre eigene Überhöhung herunterspielen: »Don't be sad for me, I'm a skinny little ape / I'm a cartoon G / And my intent is to breathe / In a new world, don't be sad for me.« Sowohl visuell als auch stilistisch legen die Gorillaz erneut überzeugend nach und machen mit »Cracker Island« nicht nur eine ihrer vielseitigsten Platten. Sie zementieren ganz ohne Affentheater, warum sie die eindrucksvollste virtuelle Band des Planeten sind.


Cracker Island - Gorillaz

Gorillaz
Cracker Island

Parlophone, 24.02.

Gorillaz Mastermind Damon Albarn schreibt für seine fiktiven Bandcharaktere universelle Songs, die innerhalb ihres urbanen Korsetts beinahe mit weltmännischer Aura glänzen. Er schreibt sie für sich und eine Reihe namhafter Gäste, die den Arrangements ihren jeweils eigenen Stempel aufdrücken und »Cracker Island« zu einem vielseitigen, kurzweiligen Streifzug durch den Großstadtdschungel erhöhen. Am eindrücklichsten geraten der sonnige Auftritt von Tame Impala, die Piano-Ballade mit Beck und der Reggaeton- Moment mit Bad Bunny.

Daniel Thomas