23.05. | Album der Woche: Mieze Katz • Dafür oder dagegen
Sony
Foto: anna.k.o.
Raum für Austausch
Auf »Dafür oder dagegen« sucht MiA.-Frontfrau Mieze Katz die Begegnung – etwa mit der Juli-Frontfrau Eva Briegel und der Singer-Songwriterin Wilhelmine.
Mieze Katz, nach fast 30 Jahren mit MiA. veröffentlichen Sie nun Ihr erstes Soloalbum. Warum erst jetzt?
Die Idee eines Soloalbums wurde in den letzten 15 Jahren zwar immer wieder an mich heran-getragen, aber ich fand das eigentlich immer uninteressant. Es passte nie. Vor zwei Jahren aber merkte ich, dass ich Musik habe, die bei MiA. kein Zuhause findet.
Wie kam es zur Idee eines Duettalbums?
Ich bin kein eigenbrötlerischer Mensch, ich liebe den Austausch. Aber ich habe gemerkt: Viele meiner Kolleginnen, die ich sehr schätze und liebe, sehe ich im Alltag kaum. Sie sind auf Tour, haben eigene Releases, Projekte, Familien. Da kam die Idee auf, ein Projekt zu starten, bei dem wir gemeinsam singen. Ich wusste: Dann schaffen wir es, uns im Studio zu treffen, zum Schreiben, zum Videodreh. Und genau an diesen Tagen entsteht Raum für echten Austausch. Genau so ist es dann auch gekommen.
Eines der Schlüsselstücke der Platte ist das politische »Dafür oder dagegen«. Darin singen Sie etwa: »Und dann können wir auf die Demo geh’n / Könn’n wir uns an ein Flugzeug kleben«.
Ich bin in den letzten Jahren immer stärker Richtung Hoffnungslosigkeit tendiert – und das ist mit den Kindern eher schlimmer geworden als besser. Ich sah keine Entwicklungen mehr, sondern Aggression, viel Gewalt und Akzeptanz von Gewalt – gegeneinander, gegen Frau-en, gegen Kinder. Es ist unglaublich schwierig, das meinen eigenen Kindern zu erklären, weil ich es mir selbst nicht erklären kann. Ich habe in Wilhelmine eine Partnerin gefunden, die diese Ängste sehr teilt, die sich in ihrer queeren Welt zum Teil noch drastischer darstellen, wenn es um die freie Entscheidung geht.
Sie haben auch ein Duett mit der verstorbenen Hildegard Knef aufgenommen. Welche Bedeutung hatte Knef für Sie?
Ich habe Hildegard Knef über ihre Autobiografie »Der geschenkte Gaul« kennengelernt– ihre Geschichte und Sprache haben mich sehr beeindruckt. Später habe ich bei einem Tribute-Sampler mitgesungen und ihren letzten Manager kennengelernt, der mich ermutigt hat, mit ihrem Material zu arbeiten. Mein Schlagzeuger Gunnar hat den Songtext dazu geschrieben. Wir haben beide unsere Mütter verloren, aber unsere Beziehungen zu ihnen waren sehr unterschiedlich. Mit dem Lied konnte ich etwas ausdrücken, was mir selbst schwerfiel: liebevoll Abschied nehmen – und Hildegard Knef stand mir dabei Pate.
Mieze Katz
Dafür oder dagegen
Sony • 9. Mai
DDas Gemeinsame ist für Mieze Katz auf »Dafür oder dagegen« der sinnstiftende Kern – gerade in schwierigen Zeiten wie diesen. Die MiA.-Frontfrau setzt dabei auf Hoffnung als Gegenentwurf, auf Selbstliebe und Selbstermächtigung. Musikalisch bewegt sie sich, teils unterstützt von Mitgliedern ihrer Hauptband, zwischen eingängigem und atmosphärischem Elektropop. Entstanden sind die meisten Songs im engen Austausch mit ihren Duettpartnerinnen, die jeder Komposition eine eigene Perspektive verleihen.
Markus Brandstetter