Musik

23.03. | Album der Woche

Lambert • False

Mercury Classics

Lambiversum

Im Lambiversum vermischen sich Wahrheit und Lüge. Das findet der maskierte Pianist Lambert aber nicht schlimm, sondern unterhaltsam.

„Ich bin der Wahrheit nicht verpflichtet wie beispielsweise Journalisten. Vielmehr wird von mir verlangt, dass ich eine gute Geschichte zu einem neuen Album liefere. Diese Erwartungshaltung inspiriert mich. Und wer sagt denn, dass diese Stories hundertprozentig wahr sein müssen? Statt beispielsweise im Detail über meine langen Studiotage zu sprechen, bette ich das lieber in eine spannende Geschichte ein. Das macht mir mehr Spaß und dem Zuhörer auch. Und die Musik macht es nicht schlechter.“ Man kann sich also nicht so ganz sicher sein, ob die Geschichte stimmt, dass „False“ gar nicht als Album geplant war, sondern als eine „Fingerübung“ ins Leben gerufen wurde: Auf Anfrage eines holländischen Blogs nach einem Mixtape wurde Lambert kreativ, produzierte unter verschiedenen Pseudonymen alle Songs selbst, deren Spagat von Jazz über Pop und Industrial weit über die gewohnten Wohlfühl-Klavierklänge hinausgeht. So perfektionierte er die Illusion, dass die einzelnen Werke von verschiedenen Untergrund-Künstlern stammen und erlaubte sich selbst gleichermaßen die Freiheit, den Lambert-Sound deutlich zu erweitern. Den Auftraggebern war die Musik zu abstrakt; sie hatten sich neoklassische Werke gewünscht und lehnten sein Angebot ab, woraufhin Lambert sich dazu entschied, das Album auf anderem Weg zu veröffentlichen. Zumindest würde dieser Prozess erklären, warum zu jedem der vierzehn Songs auf „False“ ein Kollaborateur angegeben ist. Ob es sich dabei um reale Künstler oder Alter-Egos handelt, will Lambert nicht auflösen. „Seitdem es Lambert gibt, hatte ich die Idee zu einem Franchise-Unternehmen. Ich habe mal ein Experiment gemacht und einen anderen Pianisten meine Show spielen lassen. Nur die Ansagen habe ich selbst hinter der Bühne gesprochen, während er vor den Zuschauern am Mikrofon stand. Das hat keiner gemerkt. Es hat mir großen Spaß gemacht herauszufinden, ob man die Musik, die für mich immer noch das Zentrum des Lambiversums ist, unabhängig von der Person inszenieren kann. In der Klassik sagt schließlich auch niemand: ‚Nein, ich möchte diesen Chopin-Walzer von Chopin selbst gespielt bekommen.‘ Deswegen hatte ich auch keine Skrupel meinem Publikum gegenüber. Schließlich hören sie immer noch die gleiche Musik. Aber natürlich macht mir das Konzertspielen wahnsinnig Spaß. Deswegen mache ich es meistens doch selbst.“

Foto: Andreas Hornoff


Lambert
False

Mercury/Universal

Fazit
Auf „False“ zeigt Lambert sich so facettenreich wie nie zuvor. Von flüchtigen Jazzeskapaden wie „Juice Trio“ geht die Reise über gewohnt melancholische Klavierklänge in „Dorian“ bis hin zu „Spheres“, einem waschechten Popsong inklusive Gesang. Im zugehörigen Podcast manifestiert der maskierte Pianist seine Lust am Geschichtenerzählen und lässt einen gleichermaßen schmunzelnd wie auch kopfschüttelnd zurück. Wenn Lambert mit „False“ eines klarmacht, dann dass sein Universum keine Grenzen mehr kennt.

Katharina Raskob