Literatur

22.08. | Hörbücher der Woche

Ida • Vox • Soloalbum

BENJAMIN VON STUCKRAD-BARRE
Soloalbum
Gelesen von: Benjamin von Stuckrad-Barre
tacheles! • 22. August

Die Neunziger erleben ein Revival: Nachdem Crop-Tops wieder tragbar sind, erscheint 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung eine Jubiläumsausgabe von „Soloalbum“. Mit seinem Debütroman machte Benjamin von Stuckrad-Barre damals ordentlich von sich reden, seither ist er aus der deutschen Pop-Literatur nicht mehr wegzudenken. Mit seiner Autorenlesung beschwört er den Geist des ausgehenden 20. Jahrhunderts herauf: Protagonist Ben ist Anfang 20, das Leben liegt vor ihm, aber er denkt nur an Katharina. Aus jugendlichem Leichtsinn betrügt er sie jedoch und die Beziehung geht in die Brüche. Ben leidet. Die Trennung verarbeitet er in verschiedenen, von Selbstmitleid durchzogenen Schritten. In der Geschichte aus der Ich-Perspektive geht es um Freundschaft, Liebe, große Enttäuschungen und Einsamkeit – eben alles, was diese besondere Phase zwischen Jugend und Erwachsenensein ausmacht. Mit Nonchalance, Witz und Tempo überzeugt Stuckrad-Barre auch heute noch. Und: die Jubiläumsausgaben von Buch und Hörbuch erscheinen mit weißem Jeanseinband.

Lars Backhaus


CHRISTINA DALCHER
Vox
Gelesen von: Andrea Sawatzki
Argon • 15. August

Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ – überträgt man dieses Zitat des Philosophen Ludwig Wittgenstein auf „Vox“, so mauert die fiktive Gesellschaft in Christina Dalchers Erzählung alle Frauen in winzige Welten ein. Jeder weibliche Mensch darf in dieser Dystopie nicht mehr als 100 Worte am Tag sprechen, ein Instrumentarium, um Frauen zurück an den Herd zu bannen, damit sie ausschließlich als Versorgerinnen fungieren. Widerstand wird mit Stromstößen geahndet. Die Gesellschaft bröckelt, Arbeitskräfte fallen weg, immer weniger Frauen rebellieren jedoch. Erzählt wird von einer Frau, die andere Zeiten miterlebt hat, emanzipiertere. Nie hätte diese sich ausgemalt, dass die Gesellschaft einmal einen solchen Rückschritt erfährt. So ist „Vox“ neben einer grauseligen Dystopie auch ein Warnschuss – auf dass einmal errungene Gleichberechtigung niemals zurückgenommen werden darf. Vernehmen darf der Zuhörer die bekannte Stimme Andrea Sawatzkis: Entschieden, klar und nicht wegzudenken aus zahlreichen Erzählungen unserer Zeit.

Marina Mucha


KATHARINA ADLER
Ida
Gelesen von: Petra Morzé
Argon • 25. Juli

Ida Bauer ist vielen wohl besser bekannt als der „Fall Dora“, einer Fallstudie Sigmund Freuds, bei der der Psychoanalytiker eine Hysterie diagnostizierte und besonders mit Traumdeutung arbeitete. Katharina Adler widmet ihren Roman ihrer Urgroßmutter Ida Bauer und verleiht ihr menschliche Tiefe. Über Jahrzehnte hinweg entspinnt sie die Erzählung über Ida als junge Frau Anfang des 20. Jahrhunderts und setzt so die emblematische „Dora“ in das Tableau ihrer Zeit. Sie skizziert das Bild einer klugen, gewitzten Frau in einer Gesellschaft, die sich fügsame Ehefrauen und Mütter wünscht. Adler vermischt dabei Fiktion und realhistorische Fakten zu einer bewegenden Familiengeschichte mit dunklen Abgründen und einer ausdrucksstarken Protagonistin. So ist Ida das Zentrum der nicht ganz linearen Narration, die nicht nur Ereignisse, sondern vor allem auch Idas Gedanken transportiert. Petra Morzé, Schauspielerin am Wiener Burgtheater, verschafft der Geschichte mit ihrer sanften, leicht gealterten Stimme und dem zarten Dialekt die persönliche Klangfarbe.

Jens Hillering


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