Literatur

22.04. | Buch der Woche

Edna O'Brien • Das Mädchen

Hoffmann & Campe
Edna O’Brien

Das Mädchen

Hoffmann & Campe, 256 Seiten

„Ich war einmal ein Mädchen, ich bin es nicht mehr.“ Im ersten Satz von Edna O’Briens neuem Roman „Das Mädchen“ steckt ein Ende: von Kindheit, Leichtigkeit und Jungfräulichkeit. Das sind nicht zufällig Leitmotive, die O’Briens Schaffen durchziehen, seit sie 1960 in ihrem Debüt „Die Fünfzehnjährigen“ (Original „The Country Girls“) recht explizit das Leben zweier Mädchen im erzkatholischen Irland beschrieb. Wofür man das Buch prompt öffentlich verbrannte. In ihrem 19. Roman geht das Mädchen Maryam in eine Oberschule irgendwo in Afrika, bis sie von islamistischen Terroristen entführt wird. Weil bei Massenvergewaltigung und Zwangsverheiratung nichts mehr emotionalisiert werden muss, bleibt die Ich-Erzählerin bei kurzen, klaren Beschreibungen. Zumindest so lange, bis die Realität so unerträglich wird, dass sie sich in ihre Mädchen-Träume rettet. Immer öfter nimmt sie dahin auch ihre neugeborene Tochter Babby mit. Mit Mitte 80 ist O’Brien nach Nigeria gefahren, um für diesen Roman bei ehemaligen Gefangenen der Terrormiliz Boko Haram zu recherchieren. Was sie sah und hörte, hat sie auf 256 Seiten zu Maryam kondensiert. Warum aber soll man sich bei den aktuellen Flüchtlingen an Europas Grenzen um traumatisierte Frauen in Afrika scheren? Die Antwort kommt regelmäßig per Newsletter von Ärzte ohne Grenzen: „[ ]Sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen [ist] weltweit ein großes Problem, sei es in Konfliktregionen wie Nigeria, oder in Fluchtkontexten [wie auf] den griechischen Inseln.“

Edda Bauer