Literatur

21.11. | Bücher der Woche

Goderdsi Tschocheli • Matias Faldbakken • Ottessa Moshfegh

OTTESSA MOSHFEGH

Mein Jahr der Ruhe und Entspannung

Liebeskind • 24. September

Ottessa Moshfeghs namenlose Mittzwanzigerin hat einen originellen neuen Weg gefunden, einmal gründlich zu pausieren. Zwölf Monate lang möchte sie nur im Bett liegen, Pizza essen und Whoopie-Goldberg-Videos gucken – ein menschlicher Winterschlaf, der in eine Art psychischem Reboot münden und eine neue Person aus ihr machen soll. Für ihr „Projekt“ deckt sie sich über eine windige Psychiaterin mit einer voluminösen Drogenapotheke ein, die allerdings nur halbe Arbeit verrichtet: Zwischen ihren immer häufiger werdenden Filmrissen verändern sich weder die Persönlichkeit noch die Probleme. Nicht, dass es bei der Lektüre darauf ankäme. „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ liest sich wie ein introvertierter, weiblicher „American Psycho“ und hat sich seine Misanthropie redlich verdient. Hass und Selbsthass sind die Lieblingsemotionen der Antiheldin und regnen permanent auf die Objekte ihrer gestörten Beziehungen nieder. Es ist wie ein Seelenstriptease ohne Seele, dafür aber mit grimmigen Humor. Markus Hockenbrink


GODERDSI TSCHOCHELI

Der scharlachrote Wolf

FVA • 31. August

Georgien wird in diesem Jahr nicht nur das Gastland der Frankfurter Buchmesse sein, das zwischen Europa und Asien gelegene Land ist auch ein von Gegensätzen geprägter Kulturraum. Hier treffen Abhängigkeit und Unabhängigkeit, christliche Religion und heidnischer Glaube, Stadtleben und ausgedehnte Wälder aufeinander. In „Der scharlachrote Wolf “ verbindet der 2007 verstorbene georgische Autor Goderdsi Tschocheli all diese Elemente zu einem modernen Klassiker, in dem ein junger Schauspieler in sein Heimatdorf im Großen Kaukasus zurückkehrt. Hier verwandeln sich Menschen in Wölfe, der Heimkehrer erlebt fantastische Grenzüberschreitungen, mit denen Tschocheli alltägliche, politische und universelle Konflikte darstellt. Bildsprache und Narration wirken märchenhaft, gleichzeitig düster und stringent. Mit „Der scharlachrote Wolf “ begibt sich der Leser auf unbekanntes Terrain – in einen Roman wie ein Abenteuer, das nicht nur von einem fremden Land, sondern auch etwas über den Leser selbst erzählt. Marina Mucha


MATIAS FALDBAKKEN

The Hills

Heyne Encore • 10. September

Der norwegische Autor Matias Faldbakken entführt den Leser in „The Hills“ in ein etwas altmodisches, aber doch sehr stilvolles Restaurant, in dem täglich die gleichen Gäste ein- und ausgehen und in dem der Ich-Erzähler seit nunmehr 13 Jahren wacker die Kellnerstellung hält. Leicht sonderbar und nicht unbedingt selbstbewusst tritt dieser Antiheld auf und vermittelt dem Leser die wohlige Atmosphäre der Routine im „The Hills“. Jedenfalls bis eine Frau ins Bild tritt und das Gewohnte in Ungewöhnliches wendet. Faldbakken entwirft einen universalen Mikrokosmos, in dem Gäste und Angestellte zwischen Langeweile und Entgleisung tänzeln. Immer wieder lässt er Alltagsphilosophie einfließen, die seinen Figuren ganz natürlich von den Lippen perlt – das „The Hills“ ist wohl die beste Umgebung für große Gedanken über das Leben der kleinen Angestellten. Eine dichte Novelle legt der Autor vor, eine, die mit zarter Verunsicherung Herz, Hirn und Magengegend gleichermaßen beschäftigt.

Lars Backhaus