Literatur

Drei Heldentaten habe sie in ihrem Leben vollbracht, erklärt ihr ihre Mutter: Sie habe sie nicht abgetrieben, sie im Zweiten Weltkrieg auf die Flucht mitgenommen und sie vor dem Einmarsch der Russen nicht erschossen. Wie kann ein Leben unter diesen Vorzeichen gelingen? Oder anders gefragt: Was ist gelingendes Leben überhaupt, wenn es keinen Vater gibt, eine harte Mutter, selbst von Krieg und Entbehrung gezeichnet, eine zerrissene Kindheit und ein Erwachsensein unter Stasi-Beobachtung? Helga Schubert erzählt davon. Von allem, und doch nur vom Nötigen. Von einer Aussöhnung, vor allem. In einer Sprache, die in ihrer Schlichtheit betörend ist und in ihrem Aufbau präzise. „Alles, was ich mache, ist mathematisch gebaut.“, sagt die inzwischen 82-Jährige dazu. Sie, die als Autorin lange Zeit abgetaucht war, in Vergessenheit geraten beinahe, bevor sie im Jahr 2020 mit „Vom Aufstehen“ auftauchte, aufstand und aus dem Stegreif den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann. Völlig zurecht, wie sich jetzt auch in einer Taschenbuchausgabe nachlesen lässt. Man wünscht ihr eine breite Leserschaft.

Helga Schubert
Vom Aufstehen
dtv Taschenbuch, 224 Seiten