Musik

21.09. | Album der Woche

William Fitzsimmons • Mission Bell

FitzsimmonsMissionBell

William Fitzsimmons

Mission Bell

Grönland Records • 21. September

Es ist kompliziert

Eigentlich war William Fitzsimmons' neues Album schon komplett fertig – bis seine Frau ihm eine Affäre mit genau dem Freund gestand, mit dem er es eingespielt hatte. Inzwischen hat der Musiker seinen sanften Indiepop-Songs die Wut wieder abgeschüttelt. Mit „Mission Bell“ erzählt er zehn Jahre nach dem wegweisenden „The Sparrow And The Crow“ schon zum zweiten Mal von einer zerbrechenden Ehe.

Wie ist es, schon wieder ein autobiografisches Album zum Thema Scheidung zu veröffentlichen?

Noch ist es keine Scheidung, sondern eine Trennung. Es ist kompliziert. (lacht) Wir sind zwei Menschen, die zusammen in einer sehr ungesunden Situation feststeckten und jetzt jeder für sich an ihren eigenen Problemen arbeiten. Etwas also, das wir schon längst hätten tun sollen. In meiner ersten Ehe war ich sehr jung, und wenn etwas schiefging, bin ich einfach abgehauen. Das geht jetzt nicht mehr. Ich bin 40, ich habe zwei Kinder und ich will in zehn Jahren nicht noch so ein Album machen müssen. Deshalb arbeite ich an mir.

Was haben Sie aus dem ersten Mal gelernt?

Dass ich ein Arschloch und ein schlechter Ehemann sein kann. Dass ich gemein und überkritisch und emotional übergriffig sein kann. Ich sage das nicht gerne, weil ich Angst habe, dass dann niemand mehr meine Musik hören will, aber es ist wahr. „Mission Bell“ ist ein ehrlicheres Album als „The Sparrow And The Crow“, es ist nicht so schwarz-weiß, sondern eher grau. Wir haben beide Fehler gemacht. Sie hatte eine Affäre, aber es gibt nicht nur eine Art, jemanden zu betrügen. Wenn man heiratet, verspricht man sich auch, dass man aufeinander aufpasst und füreinander da ist. Es gibt viele Arten, diesen Schwur zu brechen.

Ihr Album „Goodnight“ thematisierte schon 2006 die Scheidung Ihrer Eltern, die Sie als prägendes Erlebnis nennen. Glauben Sie überhaupt noch an die Ehe?

Ich weiß es nicht. Ein Teil von mir will einfach sagen „Scheiß drauf“ und alles hinwerfen. Ich bin Musiker, ich sehe passabel aus, ich könnte einfach Spaß haben. Aber ist das besser? Wissen Sie es?

Nein.

Eben, es ist kompliziert. Man öffnet sich jemandem, vertraut diesem Menschen, und dann tut man sich gegenseitig diese grausamen Dinge an und hat dann einfach keine Lust mehr, sich das immer wieder anzutun. Aber ich glaube, wenigstens versuchen muss man es trotzdem. Das ist die eine Sache, die ich meinem Vater bis heute am meisten vorwerfe: Er hat es nicht mal versucht. Er hätte bleiben können, aber er ist einfach gegangen. Ich will nicht einfach so aufgeben. Es ist jetzt auf den Tag genau fast ein Jahr her, dass die Bombe explodiert ist. Noch versuche ich es.

„Mission Bell“ klingt gar nicht nach einer Bombe, sondern eher nach vielen kleinen Nachdenklichkeiten.

Ich habe das Album einmal komplett aufgenommen, bevor Erin mir von der Affäre erzählt hat. Aber unterbewusst habe ich wohl gespürt, dass wir beide unglücklich waren. Als dann herauskam, dass es dieser Typ war, der mit mir zusammen das Album aufgenommen hatte, konnte ich diese Version nicht mehr hören. Ich bin mit den Songs nach Nashville geflogen und habe alles noch mal neu aufgenommen. Jetzt mag ich die zweite Version sogar lieber als die erste, weil sie so viel durchgemacht hat. Das war zunächst wie ein „Fuck You“ an diesen Typen, aber diese Wut ist inzwischen verraucht. Ich will keine Wut in meiner Musik haben. Wut ist meist nur eine Fassade für die Angst, die ich in Wahrheit fühle.

Wie finden sie die wieder?

Mithilfe meines Therapeuten, der mit mir daran arbeitet, mit der Angst dazusitzen, ohne zu versuchen, sie zu kontrollieren oder wegzuschieben. Ich sitze einfach nur da und habe Angst, bis sie sich in etwas anderes verwandelt. Das führt hoffentlich dazu, dass irgendwann alles gut wird. Im schlechtesten Fall bleiben wir gute Freunde, die ihre Kinder zusammen erziehen. Wenn wir uns tatsächlich scheiden lassen, dann auf eine möglichst okaye Art.

Wie erklären Sie als Scheidungskind die Situation Ihren eigenen Kindern?

Ich hoffe, dass sie bisher nicht viel merken. Meine Töchter sind jetzt vier und sechs. Wir leben immer noch im selben Haus, wenn auch in unterschiedlichen Räumen, und Erin und ich sind immer noch die besten Freunde. Wir sitzen stundenlang zusammen auf der Veranda, trinken Kaffee, lösen Kreuzworträtsel und reden. Trotzdem habe ich Angst, dass irgendwann dieser klassische Vater-Moment kommen wird, in dem ich mit dem Koffer in der Hand in der Tür stehe. Darüber darf ich nicht zu viel nachdenken, sonst muss ich weinen.

Interview: Britta Helm

Fazit: „You can take the kids on tuesdays and every other weekend“, singt William Fitzsimmons in „Distant Lovers“ zur leise gezupften Akustikgitarre und bricht damit nicht nur sich selbst das Herz. Auch wenn „Mission Bell“ sein graues Album geworden ist, durfte Produzent Adam Landry für Farbtupfer in Form von Geigen, Synthesizern und zaghaftem Schlagzeug sorgen.