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21.08. | Heimkinotipp der Woche

Lindenberg! Mach dein Ding

DCM · 21. August

Foto: DCM

Heimlich geraucht

Einige Theaterstücke und Kino-Produktionen, eine Netflix-Serie – Jan Bülows Karriere lässt sich gut an. Dann kürt man ihn zum Titelhelden in »Lindenberg! Mach Dein Ding«, und der 24-jährige Berliner wird über Nacht zum Star. Die Corona-Krise ist für ihn auch willkommene Ruhepause, eine entschleunigte Phase der Reflexion – mit viel Raum für Einsichten und Erinnerungen.

Jan Bülow, wie geht es Ihnen in diesen ungewöhnlichen Zeiten?

Ich wohne in Wien, bin aber zu Beginn der Pandemie zu meiner Mutter nach Berlin gefahren. Dorthin ist auch mein Bruder gekommen, sodass wir eine lange Zeit zusammen waren, das war sehr schön. Schauspielerisch ging erst mal gar nichts mehr, dadurch stellte sich im Privaten so eine Ruhe ein, die ich sehr genossen habe. Die letzten anderthalb Jahre waren turbulent. Endlich mal alles verdauen, das hat mir gutgetan. Zusammen sein, gemeinsam essen, miteinander reden, das war super, zog sich dann aber auch derart in die Länge, dass einem fast das Gefühl für Zeit abhandengekommen ist.

Wie groß ist die Sorge, was die eigene Arbeit angeht?

Mit meiner Anstellung am Burgtheater habe ich zum Glück große Sicherheit. Aber wenn man plötzlich so im Rampenlicht steht, spürt man natürlich einen gewissen Druck, dass das nun so weitergehen möge – eine Erwartungshaltung bei mir selbst, aber auch von außen. Auf einmal ist man eine Marke, die es zu verkaufen gilt. Ich will das überhaupt nicht negativ darstellen, aber es ist ein anderes Niveau als in der Theaterlandschaft. Das ist toll und interessant, aber es kann einem auch mal Angst machen.

Im Rampenlicht stehen Sie spätestens seit Ihrer Hauptrolle in »Lindenberg!«. Wie ging es Ihnen während der Dreharbeiten?

Mir war die ganze Zeit noch überhaupt nicht bewusst, welche Reichweite dieser Film einmal haben würde. Man gewöhnt sich schnell ans Filmteam, man bewegt sich in seinem eigenen Kosmos und denkt nicht darüber nach, dass das Ergebnis ein Jahr später in fast jedem deutschen Kino gezeigt wird.

Was für ein Gefühl war das, als Ihnen die Tragweite bewusst wurde?

Allein die Kinotour war so aufregend, dass ich kaum schlafen konnte. Ich habe nachts am Fenster meines Hotelzimmers gestanden und heimlich geraucht. Jeden Tag erschienen diverse Artikel in den größten Tageszeitungen, das war einfach unglaublich. Plötzlich stand ich vor jemandem wie Wim Wenders und unterhielt mich ganz normal mit ihm. Es gab außerdem einen für mich beeindruckenden Moment bei der Premiere. Eigentlich muss man da nichts mehr machen, nur noch über den roten Teppich laufen. Aber mir wurde es irgendwann zu viel und ich stellte mich etwas abseits. Ein Mann sprach mich an und meinte, ich sei so bleich. Als ich ihm erklärte, woran das lag, meinte er, er sei der Chef des Atlantic Hotels und wenn ich etwas bräuchte, sollte ich es ihm nur sagen.

Wie oft gab es während des Drehs Kontakt mit dem berühmten Dauergast des Atlantic Hotels?

Nicht so oft. Klar haben wir miteinander gesprochen und uns gesehen, Udo war auch ein paar Mal am Set, aber letztlich ging es darum, ihm nichts Halbfertiges zu zeigen, fokussiert zu bleiben und erst den fertigen Film zu präsentieren. Das alles war eine sehr intime Angelegenheit, ich meine, da kommen Leute und verfilmen dein Leben. Das passiert ja nun nicht allzu vielen. Im Laufe der Zeit wurde die Beziehung enger, ich habe Udo oft besucht, wir haben über Gott und die Welt geredet. Ich erinnere mich, wie wir einmal in seinem Zimmer saßen, Udo vor den großen Fenstern, dahinter der Blick auf die Binnenalster. Es dämmerte und wurde immer schummriger, aber er machte einfach kein Licht an. Ich sah ihn irgendwann nur noch als Silhouette, mit diesem wackelnden Hut, und mir wurde genau in diesem Moment noch einmal bewusst, mit was für einer Legende, die für viele Menschen in Deutschland prägend ist, ich hier zusammensitze.

Konnten Sie vor dem Dreh eigentlich schon Schlagzeug spielen?

Nein, das habe ich extra für den Film gelernt. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass es hinterher heißt, guck mal, Schlagzeugspielen kann er auch nicht. Ich habe meine faulen Seiten und mache auch gerne mal nichts, daher waren diese Formen von Ehrgeiz und Disziplin neu für mich. Ich habe mich echt reingehangen und da bin ich stolz drauf.

Wie sieht es mit einer Fortsetzung aus?

Ach, da gibt es vielleicht Ideen, aber das müsste alles Substanz haben und genau durchdacht sein. Udos Geschichte könnte auch für sich stehen, es muss nicht immer alles bis ins letzte Detail auserzählt und gezeigt werden.

FAZIT:

Zwischen Puff und Party, Kiez und Konzert malt Hermine Huntgeburth ein schillerndes Porträt eines der größten deutschen Musiker, mal prall und direkt, dann wieder mit leisen Tönen und zärtlichen Momenten. Dass Lindenberg selbst früh seinen Segen gibt, hat einen guten Grund: Jan Bülow in der Titelrolle schultert die Rolle mit Verve und vollem Körpereinsatz.

Ingo Scheel