Kino

21.02. | Kinostart der Woche

Can you ever forgive me?

Can you everLiebenswertes Ekel

CAN YOU EVER FORGIVE ME?

20th Century Fox • 21. Februar

Als Schriftstellerin erfolglos, als Brief-Fälscherin ein Ass: Melissa McCarthys Darstellung der legendären Lee Israel in „Can You Ever Forgive Me?“ ist oscarreif.

“Wenn du erstmal berühmt bist, dann kannst du ein Arschloch sein“, wettert ihre Literaturagentin Marjorie (Jane Curtin), aber solche Voraussetzungen sind für Lee Israel (Melissa McCarthy) gar nicht erst nötig. Die Rolle des Ekelpakets liegt ihr von Natur aus im Blut, auch wenn die Zeiten hart sind: Jene Künstlerbiografien, die die New Yorkerin schreibt, verkaufen sich nicht mehr, den Redaktionsjob verliert sie, weil der geliebte Bourbon ihr Mundwerk noch loser macht, als es ohnehin schon ist. Keine guten Bedingungen für eine angejahrte Autorin, die die Gesellschaft ihrer Katze der eines Menschen vorzieht. Das Geld ist knapp, ihre Freundin hat sie verlassen, der Hauswart fragt täglich nach der fälligen Miete. Da entdeckt sie per Zufall eine ebenso ausgefallene wie kriminelle Ertragsmöglichkeit: Sie beginnt, persönliche Briefe berühmter Autoren zu fälschen. Die Exponate erweisen sich bei Buchhändlern und auf Messen als überaus begehrt. Der besondere Swing, den Israel ihren Fake-Briefen von Größen wie Dorothy Parker, Noël Coward oder Eugene O’Neill verpasst, treibt den Preis zusätzlich in die Höhe. Zusammen mit dem ebenfalls in die Jahre gekommenen, schwulen Dandy Jack Hock (Richard E. Grant), den sie in einer Bar kennenlernt, perfektioniert sie dieses eigenwillige Geschäftsmodell. Bis ihr eines Tages erst die Experten und kurz danach auch das FBI auf die Spur kommen. „Can You Ever Forgive Me?: Memoirs of a Literary Forger“ nannte die 2014 verstorbene Schriftstellerin Lee Israel ihre Autobiografie, die die junge Regisseurin Marielle Heller („The Diary Of A Teenage Girl“) jetzt für das Kino umgesetzt hat. Zunächst war Julianne Moore für die Rolle der Lee Israel vorgesehen, dabei ist sie McCarthy, die ebenso wie Grant völlig zurecht für einen Oscar nominiert ist, wie auf den Leib geschrieben. Dem zuletzt etwas fade gewordenen Klamauk ihrer Paraderolle als Ulknudel, setzt sie hier eine schauspielerische Glanzleistung entgegen, in der sich praller Humor, tiefe Melancholie und Tragik auf das Großartigste miteinander verbinden. Das New York der 80er- und 90er-Jahre weckt Erinnerungen an bessere Woody-Allen-Zeiten, die Stimmung in den Buchläden und Bars ist mit den Händen greifbar. Nur zu gern gibt man sich den ebenso fragwürdigen, wie teils unappetitlichen, dabei auch überaus anrührenden Machenschaften dieser tragischen Heldin hin.

INGO SCHEEL

FAZIT: Emotional, aber nie kitschig: „Can You Ever Forgive?“ ist Kino-Entertainment der Extraklasse. Perfekt in seiner fast beiläufigen Inszenierung, großartig gespielt und mit superbem Timing. Erwähnenswert ist auch Nate Hellers Soundtrack, dessen Kombi aus nostalgischem Jazz, unter anderem von Billie Holiday und Lou Reed, für eine ganz besondere Note sorgt.