Musik

21.01. | Album der Woche

Stimming x Lambert • Positive

XXIM / Sony

Foto: Andreas Hornoff/Sony Music


95 Prozent

Auf „Positive“ verbinden Techno-Produzent Stimming und Pianist Lambert gekonnt das Beste ihrer beiden Welten. Und die sind sich ähnlicher, als man denkt.

Vibrierende Clubnächte und die absolute Stille in klassischen Konzertsälen haben auf den ersten Blick so viel gemeinsam wie Klimaschutz und Billigflüge. Wenn ein Techno-Produzent und ein Pianist sich zusammentun, klingt das zunächst nach einer ungewöhnlichen Konstellation. Doch wo sich im Allgemeinen kaum Überschneidungen finden lassen, kann das im Einzelfall ganz anders aussehen. „Lambert legt bei seinem Spiel großen Wert auf die Rhythmik, dadurch entsteht ein repetitives Element in seiner Musik und das ist dem Techno sehr ähnlich“, erklärt der Hamburger Martin Stimming. Dass sich die Arbeitsweisen der beiden Künstler grundlegend unterscheiden, ist kein Problem, sondern eine Bereicherung.

Während Lambert bereits vor der Umsetzung durch klassisches Komponieren eine klare Vorstellung seines Klangs im Kopf hat, liegt es bei Stimming in der Natur der Sache, dass sein Ergebnis unvorhersehbar ist: „Allein ein einfacher Synthesizer hat bereits so viele Variablen in seinem Klang, dass ich mich komplett davon verabschiedet habe, vorher wissen zu wollen, wie es klingt, wenn ich welchen Knopf drücke.“ Wenn man Songs wie „Ikarus“ hört, zeigt sich jedoch schnell, dass Stimmings Stücke nicht auf purem Zufall basieren. „Seine Titelbenennung war sehr hilfreich für mich. Ich konnte mich innerhalb dieses Referenzrahmens besser in die Stimmung des Stücks einfinden und es in diese Richtung weiterentwickeln“, erläutert Lambert. Bei der These, dass eine gewisse Portion Übermut vonnöten ist, um als Künstler erfolgreich zu sein, sind sich beide einig. „Ohne Geltungsdrang geht es nicht. Man muss die Fähigkeit haben, sich gut zu finden und die Leute mit dem, was man tut, zu nerven“, findet Lambert, bevor Stimming ergänzt: „Diese Selbstdarstellung strengt uns alle an, aber sie ist Teil des modernen Künstlerjobs.“ Mit Perfektion hat der Geltungsdrang jedoch nichts zu tun. Vielmehr erklären sie diese zum größten Feind des Künstlers.

„Man kann ein Werk nicht fertigstellen, wenn man keinen Frieden damit geschlossen hat, dass die letzten Meter nicht zu schaffen sind, denn sie sind völlig undefinierbar“, so Lamberts These. Stimming geht noch einen Schritt weiter: „Es ist verrückt zu glauben, dass es Perfektion überhaupt gibt. Meine Mutter hat mir mal gesagt, dass man für die letzten fünf Prozent genauso lange braucht, wie für die ersten 95 und man es deswegen dabei belassen sollte. Diesen Rat beherzige ich bis heute.“

Stimming x Lambert
Positive

XXIM / Sony, 15. Oktober

Stimming und Lambert vereinen auf „Positive“ überzeugend Elektronisches mit Organischem und schaffen so ein in sich stimmiges Album. Das gilt für das spielerische „Child’s Play“, bei dem Lamberts Finger leichtfüßig über die Tasten fliegen, während Stimming die warme Palette mal um Streicher, mal um Alltagsgeräusche bereichert, genauso wie für das dramatische „Ikarus“, dem man seinen Hochmut und den zugehörigen Fall anhören kann. Stimming und Lambert finden stets den gemeinsamen Nenner ihrer beiden Disziplinen.

Katharina Raskob