Musik

20.12. | Album der Woche

Soap & Skin • Torso

PIAS · 22. November

20.12. | Album der Woche - Soap & Skin • Torso

Foto: Katarina Šoškic


Eine Art Tarnung

Als Soap&Skin schaut Anja Plaschg gern über den eigenen Tellerrand. Für ihr Album »Torso« hat sie fremden Songs neues Leben eingehaucht. Altbacken waren ihre Versionen nie, wenn Anja Plaschg alias Soap&Skin die Lieder anderer Musiker interpretiert hat. Mit »Torso« veröffentlicht sie ihr erstes Cover-Album, das wie eine Wundertüte ist. Bei »Voyage, Voyage« von Desireless sind gleich auf den ersten Blick Änderungen zu erkennen. In mehr als fünf Minuten gestaltet die Österreicherin den ursprünglich clubtauglichen 80er-Jahre-Hit komplett um. Weniger ist mehr, war der Gedanke bei ihrer reduzierten Pianoballade mit getupften Streichern und Bläsern. Der Gesang scheint gen Ende in eine andere Sphäre abzudriften. Allein hier spürt man: Es liegt Anja Plaschg wirklich am Herzen, in Fremdmaterial einzutauchen. Ein Coversong ist für sie eine Art Tarnung, ein Versteck: »Für mich fühlt es sich gut an, vor mir selbst zu fliehen.« Die Musikerin hat ihre ganz eigene Methode entwickelt, um sich den Stücken ihrer Kollegen anzunähern: »Ich höre ein Lied und fühle, dass da etwas ist, das ich hinzufügen möchte.« Danach hört sie das Original nicht mehr, manchmal jahrelang: »Ich nehme die Songs aus dem Gedächtnis auf.« Den The-Doors-Klassiker »The End« zum Beispiel legte sie mehr als sieben Jahre ad acta. Danach hat sich eine filigrane Klaviernummer mit ausdrucksstarkem Gesang entwickelt, die lange nachhallt. Mit einer gewissen Dramatik. Während »The End« passenderweise am Schluss dieses Werks steht, macht Sufjan Stevens' »Mystery of Love« den Auftakt. Waldhorn und Posaune verleihen Anja Plaschgs besinnlicher Fassung Intensität. Gerade sie illustriert, dass die Solistin bei der Aufnahme in Wien von einem Ensemble begleitet wurde. Für sie war das ein Novum: »Eigentlich ist es eher mein Stil, die Musik in einem Safe Space allein zu Hause aus vorab aufgenommenen Samples aufzubauen.« Hans Zimmers »God yu tekem laef blong mi«, gesungen mit hoher Stimme, hat bei Anja Plaschg etwas Sakrales. Ziemlich eigenwillig ist der Bonustrack: Lana Del Reys »Gods & Monster«. Kalifornische Lethargie verwandelt sich in eine dunkle elektronische Klanglandschaft. Auch der Text changiert ein bisschen. Aus der Originalzeile »Fame, liquor, love, give it to me slowly« wird bei Anja Plaschg: »Fame, liquor, shove – that is nothing holy«. Auf diese Weise entsteht ein ganz eigener musikalischer Ort, den so noch niemand erkundet an. Stellenweise abstrakt und düster, dann wieder fast zu schön, um wahr zu sein. Eines der spannendsten Cover-Alben überhaupt.


Soap & Skin Torso Cover

Soap & Skin
Torso
PIAS • 22. November

Wer glaubt, Coversongs wären meist fantasielos, den belehrt Anja Plaschg als Soap&Skin eines Besseren. David Bowies »Girl loves me« stehen die Bläser gut zu Gesicht. Der Gesang lehnt sich eng an das ursprüngliche Lied an, ohne dass die eigene Note dabei auf der Strecke bleibt. Bei Tom Waits' »Johnsburg, Illinois« bringt eine singe Säge neuen kreativen Antrieb. Die intime Atmosphäre des Originals bleibt trotzdem erhalten. Ein gelungenes Experiment, bei dem der Gesang seine volle Kraft entfaltet.

Dagmar Leischow