Musik

20.08. | Album der Woche

The Wallflowers • Exit Wounds

New West Records/Pias

Kraftvoller Geist

Mit „Exit Wounds“ melden sich The Wallflowers nach zehnjähriger Album-Abstinenz zurück. Grund genug, um mit Sänger und Bandleader Jakob Dylan zu telefonieren.

Wes Geistes Kind ist eigentlich Jakob Dylan? Pünktlich auf die Minute loggt sich der Sohn von Songwriter-Legende Bob Dylan und Chef von The Wallflowers zum Zoom-Meeting ein. Die Kamera bleibt ausgeschaltet. Nur die Stimme dringt aus dem Computer –?und die hat es in sich. Der 51-jährige Sänger und Songschreiber verfügt über ein Organ, mit dem er wohl auch in einer Vorstandssitzung eines Dax-Konzerns Gehör finden würde. Laut und kraftvoll formuliert er präzise Sätze: „Ja, es hat mit der neuen Platte echt lange gedauert“, hört man ihn sagen, „das war eigentlich anders geplant.“ Irgendwie sei die Zeit einfach so dahingerauscht. Zunächst war er ständig auf Tour, mal mit den Wallflowers, mal solo. Es folgte die vielbeachtete Dokumentation „Echo In The Canyon“, in der er dem Zauber der Musiker-Hippies im kalifornischen Laurel Canyon der 1960er-Jahre nachspürt. Dann kam Corona – ein Thema, das auch das Comeback-Album „Exit Wounds“ prägt. „Wir alle sind während der Zeit anders geworden“, sagt er, „wir alle haben uns verändert und haben es mit einer neuen Welt zu tun. Wir sind gezeichnet, wir haben Austrittswunden. Doch wir können daran wachsen, wenn wir die richtigen Lehren daraus ziehen.“

Musikalisch spannen The Wallflowers auf ihrem sechsten Album einen weiten Bogen aus rustikalen Americana-Klängen, solidem Heartland-Rock, Van-Morrison-Blues-Balladen und gut gelaunten Pop- und Country-Pop-Klängen. „Das hat sich so ergeben“, brummt es sonor vom dunklen Bildschirm, „ich wollte dieses Album mit wenigen, dafür aber mit absolut gleichgesinnten Leuten machen.“ Zu diesem exklusiven Zirkel gehört – neben den fünf Bandmitgliedern und Produzent Butch Walker (Weezer) – auch die großartige Singer/Songwriterin Shelby Lynne. Wallflowers-Gitarrist Stuart Mathis habe den Kontakt hergestellt, sie sagte zu. „Und sie hat in dem Song, den wir für ein Duett vorgesehen haben, total überzeugt.“ So sehr, dass aus dem einen vier Duette wurden. „Sie war Teil unseres Teams. Es hat funktioniert“, sagt Dylan. Zur erweiterten Produktions-Riege gehört auch Tom Petty. Zumindest spirituell. Den 2017 verstorbenen Folk-Rocker hat Dylan bei der Laurel-Canyon-Dokumentation kennengelernt – und in ihm einen Seelenverwandten gefunden. „Genau genommen ist er mein wichtigster Lehrmeister“, bekennt er, „Tom hat schon immer meine Musik beeinflusst. Doch bei diesem Album schwebte sein Geist als leitende Kraft über uns.“

The Wallflowers
Exit Wounds

New West Records/Pias, 16. Juli

Mit dem verstorbenen Tom Petty als Spiritus Rector gelingt The Wallflowers ein ausgewogenes Album mit lichtdurchfluteten Akkorden und entspannten Rhythmen. „Maybe Your Heart Is Not In It No More“, „Roots & Wings“ und „Who´s That Man Walking Round My Garden“ lassen an den euphorischen Country-Pop von Pettys „Into The Great Wide Open“-Phase denken. Dazwischen: Dire-Straits-Lässigkeit („Darlin Hold On“), synkopierte New-Wave-Anleihen („Move The River“) sowie vier starke Gastauftritte von Shelby Lynne.


Foto: Yasmin Than

Gunther Matejka