Literatur

19.10. | Buch der Woche

Martin Mosebach • Taube und Wildente

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19.10. | Buch der Woche - Martin Mosebach • Taube und Wildente

Der Sommer in der Provence ist heiß. Die Zikaden zirpen in den Zypressen. Eine fällt der Katze zum Opfer. Ruprecht Dalandt beobachtet sie dabei, notiert: „Grausamkeit. Zuschauen, wie etwas Schönes zerfetzt wird.“ Es ist die programmatische Einleitung, die bereits den Kern von Martin Mosebachs neuem Roman freilegt. Das Ehepaar Dalandt verbringt die Ferien in einem Landhaus in der Provence. Ruprecht ist Chef eines exquisiten Verlags für feingeistige Bildbände, seine Frau Marjorie hat ein stattliches Familienvermögen geerbt. Viel mehr zu tun, als ihren Reichtum zu verwalten, haben die beiden nicht. Also reiben sie sich an Taube und Wildente auf, einem Stillleben von Otto Scholderer aus dem 19. Jahrhundert, das Teil der Kunstsammlung von Marjories Großvater ist. Im Zentrum des Gemäldes: ein zinnoberroter Punkt. Macht dieses Detail das Ganze zu einem modernen Meisterwerk? Martin Mosebach seziert sein unsympathisches, immer wieder distanziert wirkendes Figurenensemble entlang dieser Frage – und der belasteten und belastenden Machtverhältnisse, denen alle unterstellt sind. Da ist die andauernde Zurschaustellung bürgerlicher Dekadenz und moralischen Verfalls. Die Dalandts gehen jeweils ihren Affären nach, der Reichtum basiert auf dem Raubbau von Bodenschätzen im Kongo. Das Angebot moralischer Unzulänglichkeiten wird von Büchner-Preisträger Mosebach sauber und subtil katalogisiert, als gelte ihm Thomas Mann als Vorbild. Distinguiert und poliert wirken seine Sätze, passend zu der kleinen Welt, die er beschreibt – immer wieder siegt hier die emotionale Distanz. Über all dem steht zudem die Frage: Ist das Kunst oder kann das weg?

Martin Mosebach
Taube und Wildente

dtv Hardcover, 336 Seiten, 24€

Lars Backhaus