Kino

19.09. | Kinotipp der Woche

Die Fotografin

19.09. | Kinotipp der Woche  - Die Fotografin

Foto: Kimberly French, Sky UK Ltd


Hinter der Kamera

In »Die Fotografin« spielt Kate Winslet die Kriegsreporterin Lee Miller – und zeichnet erstmals für einen Film nicht nur als Hauptdarstellerin, sondern auch als Produzentin verantwortlich. Warum Winslet so sehr für das Projekt brannte, dass sie sogar ihr Privatkonto schröpfte, verrät die Schauspielerin im Interview.

Kate Winslet, erkannten Sie in Lee Miller, die Sie in »Die Fotografin« verkörpern, eine verwandte Seele?
Ja, auf jeden Fall! Wobei ihr Leben natürlich deutlich bemerkenswerter war als meines. Nicht nur ihre Lebenskraft war erstaunlich, sondern auch die Art und Weise, wie sie sich mit enorm viel Mut in diesem männlich domi- nierten Feld der Kriegsfotografie durchgesetzt hat. Und das nicht als junge Frau, sondern in der Mitte ihres Lebens! Es ging ihr dabei nicht nur um Selbstverwirklichung. Vielmehr konnte sie gar nicht anders, als für die Wahrheit zu kämpfen und sie ans Licht zu bringen, ganz gleich, welchen Gefahren sie sich dafür aus- setzen musste.

Taugt Miller auch heute noch als Vorbild?
Unbedingt, und in so vieler Hinsicht. Ich wollte unbedingt zeigen, wie sehr sie mit sich und übrigens auch mit ihrem Körper im Reinen war. Sie war weder verbittert noch kompetitiv, sondern, im Gegenteil, enorm solidarisch mit anderen Frauen. Natürlich wusste sie ganz genau, was sie wollte, doch ohne dabei trotzig zu sein oder zu polemisieren, wie es heutzutage jungen Frauen oftmals geradezu abverlangt wird. Und wie ich in meinen 20ern definitiv sein zu müssen glaubte. Ich für meinen Teil hatte während der Arbeit jedenfalls ständig das Gefühl, mir von Lee Miller noch eine Scheibe abschneiden zu können.

Sie haben den Film auch produziert. Gab es bestimmte Biopic-Konventionen, die Sie unbedingt vermeiden wollten?
Zunächst einmal vermeiden wir das Wort Biopic. Für die ganze Biografie hätte man eine 12-teilige Serie machen müssen, doch »Die Fotografin« erzählt nur rund zehn Jahre von Millers Leben. Ganz bewusst verzichten wir zum Beispiel auf die kurze Zeit in ihrem Leben, in der sie als Fotomodell arbeitete und immer als Muse von Man Ray beschrieben wurde. Ich hasse den Begriff der Muse und lege viel Wert darauf, dass er und alles, wofür er steht, im Kontext unseres Films keine Rolle spielt. Es geht dezidiert um eine Frau von Welt mittleren Alters, die als Fotografin in den Krieg zog und zur Korrespondentin wurde, weil sie in Worte fassen musste, was sie dort zu sehen bekam. Diese Erfahrungen auf kleine biografische und durch den männlichen Blick geprägte Schnipsel zu reduzieren, kam absolut nicht in Frage.

Ist es Ihnen wichtig, nicht mehr nur als Schauspielerin, sondern auch als Produzentin wahrgenommen zu werden?
Wie mich andere sehen, ist zweitrangig. Aber es war mir wichtig, diesen Film zu produzieren, denn ich wusste, dass ich damit mehr für Lee Millers Geschichte tun kann als bloß vor der Kamera. Ich bin lange genug in dieser Branche tätig, um zu wissen, was es für eine solche Filmproduktion braucht – und glauben Sie mir, ich schaffe echt was weg. Die Arbeit ist eine ganz andere als die einer Schauspielerin, viel umfassender und kleinteiliger. Und beides gleichzeitig zu tun, ist eine echte Herausforderung. Aber auch ein Privileg.

Stimmt es, dass Sie zwischendurch sogar mal zwei Wochen die Gehälter von Cast und Crew aus eigener Tasche bezahlt haben?
Das stimmt, aber das ist nicht ungewöhnlich bei einer Independent-Produktion. Manchmal kommen bestimmte Gelder einfach später als geplant und dann muss man zusehen, wie man in der Zwischenzeit die Löhne bezahlt. Wir hatten Glück, dass die Geldhähne nie komplett abgedreht wurden, wie ich es bei anderen Projekten auch schon erlebt habe. Die Nerven darf man in jedem Fall nicht verlieren, wenn man solche kleinen Projekte eigenständig auf die Beine stellen möchte. Nur weil ich in »Titanic« mitgespielt habe, heißt das nicht, dass mir nicht auch all die Hürden und Sorgen bekannt sind, mit denen man es beim Filmemachen zu tun haben kann. Aber im Fall von »Die Fotografin« haben all die kleineren und größeren Schwierigkeiten das gesamte Team eher fester zusammengeschweißt. Wir wussten, dass wir dieses Projekt gut gelaunt, optimistisch und anständig zu Ende bringen würden – komme, was wolle.


Die Fotografin

  1. September • 1 Std. 56 Min.

Gemessen daran, wie außergewöhnlich die Lebensgeschichte von Lee Miller war, kommt »Die Fotografin« als Film vergleichsweise konventionell daher. Die Inszenierung und Bildsprache von Regisseurin Ellen Kuras, die bislang als Kamerafrau arbeitete, sind jedenfalls nie so aufregend wie die eigensinnig-selbstbewusste Protagonistin, von der einige der bedeutendsten Fotografien stammen, die 1944/45 im Kontext des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts entstanden sind. Wie sehr die bemerkenswerte Miller in ihren beruflichen und privaten Entscheidungen und Beziehungen ihrer Zeit voraus war, zeigt der gediegen wirkende Film allerdings ebenso eindrucksvoll wie bewegend. Und Kate Winslet ist, umgeben von hochkarätigen Nebendarstellern wie Alexander Skarsgård, Marion Cotillard, Andrea Riseborough oder Josh O’Connor, eine Klasse für sich.

Patrick Heidmann