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18.12. | DVD der Woche

Eleanor & Colette

Eleanor&ColetteELEANOR & COLETTE

Warner • 22. November

Helena Bonham Carter ist nicht nur Expertin für britische Kostümfilme wie „Wiedersehen in Howards End“ oder „The King’s Speech“, sondern auch immer dann zur Stelle, wenn es schräg wird. Sei es als Bellatrix Lestrange in den „Harry Potter“-Filmen oder den Arbeiten ihres früheren Lebensgefährten Tim Burton. In „Eleanor & Colette“ geht sie nun vor allem emotional an ihre Grenzen.

Miss Bonham Carter, Ihr neuer Film „Eleanor & Colette“ ist eine deutsche Produktion. Wie kamen Sie an diese Hauptrolle?

Ich war lange bevor es ein deutscher Film wurde bei diesem Projekt mit an Bord. Vor ungefähr 15 Jahren traf ich mich bereits mit dem Drehbuchautor Mark Bruce Rosin, allerdings sollte ich damals noch die Rolle der Anwältin Colette spielen. Als Psychiatrie-Patientin Eleanor Riese, die ich nun verkörpere, war Susan Sarandon vorgesehen. Damals kam die Sache nicht zustande und über die Jahre passierte es immer mal wieder, dass das Drehbuch auf meinem Radar auftauchte und dann wieder verschwand. Bis sich die deutsche Produzentin Anita Elsani des Stoffs annahm und Bille August als Regisseur dazuholte. Als sie mich dann fragte, ob ich mir auch die Rolle der Eleanor vorstellen könne, war ich begeistert, denn die passt meiner Meinung nach viel besser zu mir.

Warum das?

Das kann ich gar nicht genau erklären, zumindest nicht aus schauspielerischer Perspektive. Es ist eher ein Bauchgefühl, weil Eleanor ein Mensch ist oder eben war, der in mir ganz starke Gefühle auslöst. Einerseits war sie enorm eingeschränkt: durch ihre Krankheit, die Nebenwirkungen ihrer Medikamente und nicht zuletzt durch die Tatsache, dass kaum jemand ihr den Respekt entgegenbrachte, mit dem wir gesunden Menschen begegnen. Andererseits war sie ein enorm freier Geist, hatte ein riesiges Herz für ihre Mitmenschen und eine fast kindliche Unschuld. Sie war geistig behindert, aber auch enorm klug. Sie war liebenswert und gleichzeitig herrisch, fordernd und anstrengend. Und nicht zuletzt eine ganz große Kämpferin. Ein Charakter, der so facettenreich ist, kommt in den Drehbüchern, die ich sonst lese, höchst selten vor.

Eine große Herausforderung also?

Absolut, auf verschiedenen Ebenen. Natürlich emotional, denn es ist nie leicht, jemanden zu spielen, dem es mental nicht gut geht. Eleanor litt gleichsam an Panikattacken wie an dem Tod ihrer Mutter. Aber auch körperlich fand ich diese Rolle anstrengend. Für die Szenen, die in der Anstalt spielen, haben wir in einer echten Klinik für psychisch Kranke in der Nähe von Köln gedreht. Die Atmosphäre dort ging mir wirklich an die Nieren, denn man spürte das Leid und die Qualen, die diese Räume gesehen hatten. Einmal wurden Bille August und ich sogar aus Versehen in einer der Zellen eingeschlossen. Ich bin nicht wirklich klaustrophobisch veranlagt, aber bei ihm sah ich nach ein paar Minuten doch die Panik in den Augen aufsteigen. Und ganz schlimm war auch eine Szene am Anfang des Films, in der ich wild um mich treten musste. Denn beim Treten geht kein „so tun als ob“, weswegen ich mir dabei ganz schön wehgetan habe.

Sie haben im Laufe Ihrer Karriere schon viele kranke, schräge und durchgeknallte Figuren gespielt. Stört es Sie manchmal, dass Regisseure Ihnen immer die Rollen mit der Psycho-Macke zuschreiben?

Kein bisschen. Und seien Sie sich mal nicht so sicher, dass ich nicht auch ganz viele stinknormale Rollen angeboten bekomme. Die nehme ich nur sehr viel seltener an, weil sie einfach oft langweiliger sind. Ich spiele gerne kranke und gestörte Menschen, denn dann ist es Teil meiner Aufgabe herauszufinden, warum diese Leute so sind, wie sie sind. Die komplizierten Seiten eines Menschen zu entschlüsseln, kann ungemein interessant und erhellend sein. Ganz abgesehen davon tragen wir alle doch auch immer ein gewisses Quäntchen Verrücktheit in uns. Das hat nicht nur der der Hutmacher in Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ festgestellt. Es ist nur die Frage, wann und wie es zutage tritt.

Insgesamt reicht Ihre Karriere schon über 30 Jahre zurück. „Zimmer mit Aussicht“ war Ihre erste große Rolle, danach spielten Sie in zwei Folgen „Miami Vice“ mit...

(unterbricht) Du liebes bisschen, erinnern Sie mich bitte nicht daran. Damals sah ich aus wie ein Backenhörnchen. Ich war ein weißes, rundes Etwas. Was das angeht, bin ich wirklich dankbar, dass wir alle einen Alterungsprozess durchleben. Heute gefalle ich mir dann doch etwas besser als damals mit diesen Pausbäckchen. Und zum Glück weiß ich inzwischen auch, wie man sich die Augenbrauen zupft.

Interview: Patrick Heidmann

FAZIT: Regisseur Bille August konzentriert sich in dieser wahren Geschichte der Psychiatrie- Patientin Eleanor Riese, ihrer Anwältin Colette Hughes und dem Kampf gegen die Mediziner-Lobby ganz auf seine beiden Hauptdarstellerinnen. Aus gutem Grund, denn Bonham Carter und Hilary Swank verleihen dem Film eine Energie, die seiner Inszenierung zugute kommt.