Literatur
18.09. | Buch der Woche
Eckhart Nickel • Punk
PiperEckhart Nickel
Punk
Piper / 208 Seiten / 22,00 €
Dieser schmale, schnelle und somit seinem titelgebenden Genre analoge Roman beginnt mit einem Klavierkonzert. Einem »öffentlichen Foltergang«, wie es die Protagonistin Karen auf der Holzbank hinter der Musikschule nennt und sich mit ihrer Freundin schwört, »nie wieder im Leben freiwillig aufzutreten«. Es kommt anders im Verlauf der Geschichte, wenn Karen Teil einer Punkband mit den Bewohnern ihrer neuen WG wird, die Nickel direkt beim ersten Aufeinandertreffen kongenial beschreibt. Wer kennt sie nicht, die »vorwurfsvoll mit hochgezogenen Augenbrauen« verschränkten Arme von Menschen, die wirken, als verrieten sie gleich, »was ich alles jetzt schon falsch gemacht habe«? Nickels Roman lebt von der Fähigkeit, Phänomene in Worte zu fassen, die »so ist es!«- Effekte bei allen auslösen, welche diese Worte dafür nie gefunden hätten. Die Faszination des Simplen erlebt die klassisch gebildete Karen, die Musik immer »in schöne Worte fassen« will, als »animier- tes Bild«, von der die Worte nur ein Teil sind. Was sonst nur Gedichte schaffen würden, »weil in denen automatisch alles nach Lied klingt«. Wird jemand überwältigend emotional, beschreibt die Erzählinstanz es so, »als habe er mich ungefragt in irgendeine exotische Gymnastik eingeweiht«. Es gibt »geschäftige Halbherzigkeit« und als Gegenpol eine interessante Abwandlung von Descartes: »Ich verstehe Dich, also bin ich.« Ein Selbstfindungsroman, dem es gelingt, existenzialis- tisch zu sein, obwohl keine Existenz auf dem Spiel steht
Oliver Uschmann