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18.05. | Heimkinotipp der Woche

The Son

18.05. | Heimkinotipp der Woche - The Son

Foto: Leonine Studios


Vatergefühle

Man kennt und liebt Hugh Jackman vor allem als Actionhelden und Musical-Star. Doch der Australier kann auch ganz anders, wie er in Florian Zellers »The Son« unterstreicht. Als geschiedener Vater, der den Bezug zu seinem unglücklichen Teenager verloren hat, zeigt er sich von seiner dramatischen Seite – und stand uns dazu in Venedig Rede und Antwort.

Mr. Jackman, in »The Son« geht es um Väter, Söhne und einige tragische Elternerfahrungen. Ist die Arbeit an einem solchen Stoff genauso emotional wie später der fertige Film?

Oh ja, und ich muss sagen, dass die Geschichte noch immer in mir nachwirkt, auch jetzt, wo wir darüber sprechen. Die Arbeit daran erforderte von allen Beteiligten sehr viel Vertrauen und Offenheit. Regisseur Florian Zeller wollte auf keinen Fall proben, was mich zunächst wunderte, schließlich kommt er vom Theater. Aber dann zeigte sich schnell, warum er diesen Ansatz wählte. So verhinderte er, dass uns diese großen, emotionalen Momente irgendwann normal vorkamen. Er wollte, dass wir die Szenen so intensiv wie möglich erfahren, uns komplett aufeinander einlassen und dann sehen, wohin uns das führt. Dieses Vorgehen hat mich enorm mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammengeschweißt.

Sie haben selbst Kinder. Macht einen das noch dünnhäutiger bei einer solchen Geschichte?

Nach meinen eigenen Erfahrungen tatsächlich. Natürlich muss man sich als Schauspieler in jedes erdenkliche Szenario hineinversetzen können. Aber ich muss gestehen, dass es mir dieses Mal so schwer wie nie fiel, die Grenze zwischen der Geschichte und meiner eigenen Lebensrealität aufrecht zu erhalten. Meine Familie war während der Dreharbeiten mit dabei, und meine Frau Deborra meinte irgendwann zu mir: »Du bist normalerweise der letzte, den ich als ›hot mess‹ bezeichnen würde. Aber dieses Mal bist du wirklich vollkommen durch den Wind.« Und sie hatte recht! Ich konnte nicht gut schlafen, war emotional angegriffen und spürte eine echte Parallele zu dem, was meine Figur Peter im Film durchmacht.

In »The Father« geht es auch darum, was es bedeutet, wenn zwei Elternteile womöglich sehr unterschiedliche Erziehungsansätze haben …

Es müssen noch nicht einmal unterschiedliche Ansätze sein, aber natürlich bringen zwei Individuen sehr verschiedene Erfahrungen mit in eine Familie. Als Deb und ich Eltern wurden, merkten wir schnell, dass das etwas war, worüber wir im Vorfeld kaum gesprochen hatten. Wir dachten: Die Harmonie zwischen uns stimmt doch, wir lieben uns und streiten kaum, das ist also ein Selbstläufer. Aber natürlich geht es nicht nur darum, was man sich als Eltern vornimmt, sondern es kommt ganz unwillkürlich auch ins Spiel, wie man selbst erzogen wurde, im Positiven wie im Negativen.

Dem Schatten der eigenen Eltern kann man nicht entkommen?

Genau. Deswegen ist es auch so fantastisch, dass Florian Zeller dem Film eine Szene hinzugefügt hat, die es in seinem Theaterstück noch nicht gab. Darin spielt Anthony Hopkins meinen Vater, und man merkt, wie sehr wiederum diese Beziehung von nicht aufgearbeitetem Schmerz geprägt ist. Viele seiner Entscheidungen trifft Peter vor allem deswegen, weil er alles anders machen möchte als sein Vater. Und verliert darüber womöglich die tatsächliche Situation mit seinem eigenen Sohn aus den Augen.

Ihre eigenen Kinder sind inzwischen aus dem Gröbsten heraus. Aber würden Sie sagen, dass die Arbeit an »The Son« Sie als Vater verändert hat?

Ich denke schon. Und vermutlich würden meine Kids das bestätigen. Womöglich bin ich noch ein wenig fürsorglicher als vorher. Und nicht zuletzt offener, was meine eigene Verletzlichkeit angeht. Allerdings hat der Film nicht nur in dieser Hinsicht Spuren bei mir hinterlassen.

Sondern wo noch?

Ich blicke jetzt ein wenig anders, gründlicher auf das Thema mentale Gesundheit, sowohl auf meine eigene als auch die anderer. Mein Verständnis und meine Empathie diesbezüglich sind gewachsen, was auch in meiner eigenen Familiengeschichte ein paar Dinge in ein anderes Licht gerückt hat. Für mich ist die zentrale Botschaft von »The Son« ohne Frage, dass man das Verhalten anderer Menschen nicht verurteilen sollte. Vor allem nicht, wenn man nicht vorher versucht hat, sich in sie hineinzuversetzen.

The Son

  1. Mai, 1 Std. 58 Min.

Nach seinem meisterlichen Oscar-Gewinner »The Father« hat sich der französische Regisseur und Dramatiker Florian Zeller nun das nächste eigene Theaterstück vorgenommen. Erneut geht es dabei um Eltern-Kind-Beziehungen, nur dieses Mal mit dem Fokus auf die Jugend statt aufs Alter: Der 17-jährige Nicholas (Zen McGrath) geht nicht mehr zur Schule und verschließt sich immer mehr, weswegen seine Mutter (Laura Dern) ihn beim neu verheirateten Ex (Hugh Jackman) und seiner Frau (Vanessa Kirby) abliefert. Doch auch der, selbst nicht gerade in harmonischem Familiensetting aufgewachsen, kommt kaum noch an ihn heran. So virtuos inszeniert wie der Vorgänger ist dieses Drama nicht, zumal die emotionale Erschütterung dieses Mal mehr gewollt als gekonnt ist. Doch Jackman überzeugt – und ein Gastauftritt von Anthony Hopkins hat es in sich.

Patrick Heidmann