Literatur

18.03. | Hörbuch der Woche

Bela B. Felsenheimer • FUN

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18.03. | Hörbuch der Woche - Bela B. Felsenheimer • FUN

Männer sind Schweine

Von wegen „FUN“. Bela B.s Zweitling ist eine düstere Geschichte über Männer in Machtpositionen, deren Definition von Spaß meist so gar nichts mit derer ihrer Auserwählten gemein hat.

Superhelden, außerirdische Verschwörungen, Pornodarsteller und mordende Bücher. Mit diesen Zutaten kreierte Bela B, der mit bürgerlichem Namen Dirk Albert Felsenheimer heißt, und als Schlagzeuger der „besten Band der Welt“ bekannt und zu einer festen Größe der deutschen Popkultur geworden ist, seinen ersten Roman „Scharnow“. Dass ein weniger prominenter Debütant ein Problem gehabt hätte, für eine derart krude Mischung inklusiver beabsichtigter Leserverwirrung dank der Verweigerung nachvollziehbarer Handlungsstränge einen Abnehmer zu finden, ist mehr trauriges Zeugnis für den mangelnden Wagemut abseits des genredefinierten Bestseller-Mainstreams im derzeitigen Literaturbetrieb als das Werk selbst.

Wer aufgrund dieses Tarantino-Verschnitts mit „FUN“ nun einen ebenso skurrilen Nachfolger erwartet, wird enttäuscht. Denn während das Pendel bei „Scharnow“ in Richtung Fantastik ausschlug, folgt es jetzt den Gesetzen der Physik und bewegt sich mit voller Wucht in die entgegengesetzte Richtung.

„FUN“ ist alles andere als sein Name verspricht. Im Zentrum der Handlung steht die fünfköpfige Rockband nbl/nbl, deren teils exzentrische Musiker gerne über die Stränge schlagen: nicht nur in Sachen Alkohol und Drogen, sondern auch was sexuelle Handlungen mit Groupies angeht. Die Parallelen zur Realität liegen auf der Hand.

2017 rückten mit der #MeToo-Bewegung sexuelle Belästigung in Kombination mit Machtmissbrauch in den Fokus. Die Liste der (angeblichen) Täter ist mittlerweile lang: Harvey Weinstein, Ben Affleck oder der jüngste Fall Sean Combs alias P. Diddy, der seit September vergangenen Jahres in Untersuchungshaft sitzt. Aber auch hierzulande gab es Skandale. Den prominentesten im Sommer 2023. Mehrere Frauen erhoben Anschuldigungen gegen Till Lindemann, Sänger der Band Rammstein. Mithilfe eines ausgeklügelten Casting-Systems seien dem Frontmann bei Konzerten Frauen zugeführt worden, die er mit Alkohol und K.-o.-Tropfen für sexuellen Handlungen gefügig gemacht haben soll. Das Verfahren wurde einige Monate später eingestellt, da kein hinreichender Tatverdacht vorlag.

Während Die-Ärzte-Bandkollege Farin Urlaub aus diesem Grund kürzlich für seinen Gastbeitrag auf Rammstein-Keyboarder Flakes Weihnachtsalbum einen Shitstorm erntete, tritt Bela B. die Gegenoffensive an und widmet diesem Spannungsfeld einen ganzen Roman, der als Beweis für den Ärzte-Klassiker dienen kann: Männer sind Schweine.

Denn in „FUN“ nutzen nicht nur Emil Mahler und seine Bandkollegen ihre Machtpositionen schamlos auch. Während Guidos Tochter Maila Gefahr läuft, im Netz des egozentrischen Frontmanns zu landen, entpuppt sich ihr Vater und Firmenchef selbst als degoutanter Misogyn, der weder vor der Auszubildenden noch der besten Freundin der eigenen Tochter Halt macht. „FUN“ ist eine – leider immer noch allzu realitätsnahe – Werkschau verschiedener Männer, die ihr moralisch verkommener Kompass eint. Selbstverständlich las der Autor die Hörbuchfassung selbst ein. Oft sind es besonders seine schmierigen Stimmnuancen, die die Charaktere in ihrem wahren Licht erstrahlen lassen und dem Hörer vor Ekel einen Gänsehautschauer über den Rücken jagen.

Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob Bela B. „FUN“ nicht hätte nutzen können, um das Narrativ umzukehren, statt es „nur“ fiktionalisiert nachzuerzählen. Man denke beispielsweise an die Romane von Mareike Fallwickl, die das Patriarchat mit kollektivem Feminismus erschüttern lassen. Aber wer weiß – vielleicht gibt es eine Fortsetzung?


Bela B. Felsenheimer

FUN

ungekürzte Autorenlesung

Random House Audio, 9 Std. 29 Min

Katharina Raskob