Musik

17.09. | Album der Woche

José González • Local Valley

City Slang

Foto: Peter Toggeth / Mikel Cee Karlsson


Captain Future

Ein guter Soundtrack ist das eine, eine korrekte Lebenseinstellung das andere. José González möchte für sich und seine Fans nach Möglichkeit beides.

„Ich gehe gerne ins Museum und gucke mir an, was den Leuten so gefällt“, sagt José González. „Oft sind es Kunstwerke, die einem Konzept folgen oder eine versteckte Botschaft mitbringen. Wie ein trojanisches Pferd.“ Das mit dem trojanischen Pferd gefällt dem Sänger besonders, und deshalb ist sein neues Album „Local Valley“ auch nicht das, was es zu sein scheint. Was beim ersten Hören einmal mehr sanft und anschmiegsam klingt, ist in Wirklichkeit nämlich das Resultat kanalisierter Wut. Wut darüber, dass das menschliche Miteinander, für das José González’ harmonische Musik so perfekt gemacht wäre, immer noch so unperfekt ist. Als rationaler Mensch hat der Musiker einige Sachbücher zum Thema gewälzt, nun sollen auch Taten folgen. Lieber als über seine neuen Songs redet González deshalb über „säkularen Humanismus“ und „effektiven Altruismus“ und über die Aufklärungsarbeit, die zu leisten ist, um die vielen weltweiten Spannungen und Spaltungen zu überwinden. „So viele Konflikte auf der Welt sind stammesspezifisch: ethnisch, religiös, nationalistisch“, sagt der Sänger. „Vor allem religiöse Dogmen begünstigen das Unvermögen der Menschen, kompatible Weltanschauungen zu entwickeln.“ José González verweist auf die Ideen von Hans Rosling und Peter Singer, die auch die Texte seines neuen Albums beeinflusst haben.

So beschreibt er „Head On“ als „säkulares Kampflied“ und „Visions“ als seinen Versuch, John Lennons „Imagine“ eine zeitgemäße Neufassung an die Seite zu stellen. Gerichtet ist der Song vor allem an Menschen, die mit ihren religiösen Überzeugungen hadern und sich deshalb für den Atheismus erwärmen könnten – laut González der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung. „Ich bin immer noch wütend, aber man muss sich seine Kämpfe aussuchen“, sagt er. „Und mein Kampf ist die Musik.“ Dass die trotz aller Kampfbereitschaft wieder so friedfertig geworden ist, wie man es von dem Schweden kennt und mag, hat zwei Gründe. Der erste ist die strategische Überlegung, so wenig Menschen wie möglich mit konfrontativen Tönen abzuschrecken und sie stattdessen sozusagen auf die sanfte Tour zu überzeugen. Der zweite Grund hat mit González’ Tochter zu tun. Die ist drei Jahre alt und will jeden Abend in den Schlaf gesungen werden, am liebsten mit dem Pipi-Langstrumpf-Lied. „Wenn man für Kinder singt, denkt man automatisch in Melodien“, sagt der Musiker, der nicht nur ein guter Weltbürger, sondern auch ein guter Vater sein will.

José González
Local Valley

City Slang – 17. September

José González streichelt die Gitarre und flüstert ins Ohr. Kann so jemand Konfrontationskurs oder wirklich nur Klangtapete? Die Emotionen, die der Schwede aus seinem gediegenen Indie-Folk herauskitzelt, gingen schon immer die Seele an, jetzt wird auch der aufgeklärte Verstand adressiert. Drei Sprachen sprechen die Songs auf „Local Valley“, die vierte Sprache ist die Stille dazwischen. „Lilla G“, das Lied für seine Tochter, ist womöglich das schönste: eine Umarmung, die die ganze Welt mit einschließt.

Markus Hockenbrink