Musik

17.08. | Album der Woche

Kovacs • Cheap Smell

Auf ihrem zweiten Album verarbeitet die Niederländerin Sharon Kovacs die Trennungen ihres Lebens in poppigem Soul. „Cheap Smell“ verabschiedet ihre erste Band, ihren drogensüchtigen Exfreund sowie ihren biologischen Vater und klingt dabei kein bisschen verbittert. Das musste die Sängerin, die zum Gespräch ohne ihre Bärenmütze, aber mit umso markanterem Lachen erscheint, erst lernen, wie sie offen zugibt.

Warner • 17. August

Kovacs Cheap SmellSie haben Ihr Album „Cheap Smell“ nach der Band benannt, die Sie als Abschlussprojekt am Rock City Institute gründeten. Was bedeutet Ihnen diese Zeit heute?

Eine gute Künstlerin macht für mich aus, dass sie wahrhaftig ist. Deshalb habe ich mir selbst die Coversongs, die ich während des Studiums singen musste, immer zu eigen gemacht. Meine Band „Cheap Smell“ habe ich damals nach dem Janis- Joplin-Album „Cheap Thrills“ benannt. Ich habe mich oft gefühlt wie ein billiges Parfüm, das Menschen aufsprühen und das dann direkt wieder verfliegt. Es war nicht einfach, mit mir zusammenzuarbeiten, deshalb waren wir lange nur zu zweit und ich musste zusätzlich zum Gesang auch noch das Schlagzeug übernehmen, was ich nicht konnte. Also haben wir einen Drumcomputer benutzt, was im Kontrast zu meiner warmen Stimme sehr kühl klang. Als ich dann endlich eine Band gefunden und mein erstes Album mit ihr aufgenommen hatte, verließen mich alle wieder. „Cheap Smell“ fasst jetzt zusammen, was ich aus dieser ganzen Zeit gelernt habe.

Was haben Sie gelernt?

Dass ich manchmal auch selbst ganz schön dumm war. (lacht) Oft helfen mir erst die Songs dabei, das zu erkennen. Ich arbeite beim Schreiben auf, was mich gerade bewegt. Es gibt beispielsweise mehrere Songs über meinen Exfreund auf dem Album, die ich in verschiedenen Phasen unserer Beziehung geschrieben habe. „Priceless“ ist ein Liebeslied darüber, dass er bitte bei mir bleiben soll. „Adickted“ handelt von seiner Drogensucht und „Play Me“ davon, wie ich trotzdem immer wieder zu ihm zurückgegangen bin. Am Ende singe ich dann meinen „Final Song“ an ihn. Zusammen bilden diese Stücke ein halbes Jahr meines Lebens ab und ich habe oft erst beim Schreiben gemerkt, wie ich fühle.

„Priceless“ klingt so optimistisch als wären Sie immer noch frisch verliebt. Wie konnten Sie dem Song diesen Eindruck im Nachhinein erhalten?

Das ist tatsächlich nicht immer leicht. Wenn ich ihn live spiele, erzähle ich dem Publikum, dass ich jetzt ein Liebeslied für meinen Exfreund singen muss und mache einen Witz daraus. Aber die Bedeutung eines Songs kann sich auch mit der Zeit ändern. Noch singe ich über meinen Ex, aber es wird irgendwann einen anderen Mann geben, für den ich diesen Song singe.

Der Titel von „Adickted“ spielt damit, dass Ihr Exfreund drogensüchtig war, aber gleichzeitig auch einfach ein Arsch. Konnten Sie auch das schon während der Beziehung so differenzieren?

Früher habe ich sehr dazu geneigt, Menschen vorschnell zu verurteilen, gleichzeitig aber oft zu nachsichtig mit ihnen zu sein. Ich war wütend auf meinen Freund, aber ich habe ihm auch viel zu viel durchgehen lassen. Daran arbeite ich noch. Ich kann heute zum Beispiel von den Mitgliedern meiner Band fordern, dass sie ausgeschlafen und nüchtern zur Probe erscheinen, aber was sie in ihrer Freizeit machen, ist ihre Sache. In verschiedenen Therapien habe ich gelernt, mich auf mich selbst und meine Kunst zu konzentrieren. Die ist früher oft sehr dunklen Momenten entsprungen und selbst wenn ich glücklich war, musste ich mich dann wieder in diese düsteren Ecken zurückziehen, um Künstlerin sein zu können. Inzwischen lerne ich langsam, auch positivere Songs zuzulassen.

Das klingt fast spirituell, dabei weisen Sie im Song „Mama & Papa“ jeden Anflug von Religiosität weit von sich.

Es ist völlig okay, wenn andere Menschen religiös sind, aber im Song geht es darum, wie mein biologischer Vater mir bei unserem allerersten Gespräch seine Religion aufdrängen wollte. Ich frage ihn, wo er und seine große Worte denn waren, als ich ihn gebraucht hätte. Es ist ein sehr nachdenklicher und schwerer Song, aber der Ausbruch am Ende drückt für mich nicht nur Wut aus, sondern auch eine Befreiung.

Das Thema des Verlassenwerdens zieht sich durch „Cheap Smell“ durch. Warum umgeben Sie sich in Ihrer Musik überhaupt noch mit anderen Menschen?

Weil Musik für mich etwas Gemeinschaftliches ist. Ich schreibe viel alleine, brauche aber auch die Ideen anderer Menschen. Ich glaube, der Tag, an dem ich alles selbst machen muss, wird der letzte Tag sein, an dem ich Musik mache. Dann setze ich mich lieber in mein Zimmer und singe mir selbst etwas vor.

Interview: Britta Helm

FAZIT: Der reich instrumentierte Funk-Soul des zweiten Kovacs-Albums ließe sich solo nur schwer auf die Bühne bringen. Die Geschichten sind umso persönlicher. Ob Kovacs sich in „Mama & Papa“ bluesig den Schmerz von der Seele schreit oder zum melancholischen Klavier von „Final Song“ ihren Exfreund verabschiedet: „Cheap Smell“ bleibt noch lange hängen.