Musik

17.04. | Album der Woche

Mutter/Ma/Barenboim • Beethoven: Triple Concerto

Deutsche Grammophon · 3. April

Foto: Peter Adamik

Götterfunken

Drei ist die signifikante Zahl: Die Deutsche Grammophon feiert mit „Triple Concerto“ nicht nur drei Jubiläen, sondern präsentiert neben Beethovens „Siebter Sinfonie“ auch sein „Triplekonzert“, zu dessen Einspielung sich mit Daniel Barenboim, Anne-Sophie Mutter und Yo-Yo Ma drei Ausnahmesolisten zusammengetan haben. Ihretwegen strahlt der Großmeister der Klassik selbstbewusst ins 21. Jahrhundert.

Klar, das offensichtlichste Jubiläum bei dieser Aufnahme ist der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens. Es ist ein internationaler Feiertag, denn der Bonner gilt nicht nur als einer der bedeutendsten Komponisten der Klassik, sondern auch als musikhistorischer Visionär. Bemerkenswert und bemerkenswert populär auch seine persönliche Geschichte: Bekanntlich traten bei Beethoven noch vor seinem 30. Geburtstag erste Gehörleiden auf, die schließlich zur fast völligen Taubheit führten, ihn aber nie in seinem Arbeitseifer und seinem Innovationsgeist bremsten. Aus dem Pianisten, der Musik hörte, wurde so der Komponist, der Musik denken konnte. Demnach war Beethovens Hörvermögen auch bereits bei der Komposition seines „Triplekonzertes“ und der „Siebten Sinfonie“ beeinträchtigt; die beiden Stücke entstanden 1804 und 1811-1812. Das „Triplekonzert“ nimmt dabei eine besondere Stellung im Œu¬v¬re des Musikgenies ein, schließlich ist es das einzige Konzert, dass er für mehr als ein Soloinstrument geschrieben hat. Sein revolutionärer Geist zeigt sich hier besonders in der raffinierten Architektur und in Kombination mit der einzigartigen Tonsprache. Mit Anne-Sophie Mutter, Yo-Yo Ma und Daniel Barenboim, der bei dieser Aufnahme nicht nur als Pianist, sondern auch als Dirigent seines West-Eastern Divan Orchestra fungiert, konnten drei Ausnahmekünstler zur Zusammenarbeit bewegt werden, bei denen dieses eher selten bearbeitete Stück in den denkbar besten Hände liegt. Der freudige und lebensbejahende Charakter der Ecksätze wird durch Mutters leichtfüßiges Violinenspiel zum Schweben gebracht. Im gerade einmal fünfminütigen zweiten Satz des „Triplekonzerts“ brilliert Yo-Yo Ma mit seiner einfühlsamen Spieltechnik und lässt sein Violoncello gesangsähnlich phrasieren; die „Cello-Arie“ in berückender Form. 40 Jahren ist es her, dass die beiden Solisten – damals noch junge Talente in der Klassikszene – das gleiche Stück unter Herbert von Karajan einspielten. Im Vergleich dazu entscheidet sich Barenboim zu einer Interpretation, die durch einen leichten Anzug des Tempos und eine federnde Spielweise für die Moderne wirbt. Entstanden sind die Aufnahmen als Live-Mitschnitte eines weiteren Jubiläums. Bei zwei Konzerten im Juli und Oktober vergangenen Jahres in Buenos Aires und Berlin führte Barenboim die Werke anlässlich des 20. Geburtstags des West-Eastern Divan Orchestra auf. Der gebürtige Argentinier, der zudem die israelische und die palästinensische Staatsbürgerschaft besitzt, hatte das Sinfonieorchester 1999 zusammen mit Edward Said und Bernd Kauffmann gegründet und zu gleichen Teilen mit israelischen und arabischen Musikern besetzt. Ein Sinnbild für die Sehnsucht nach Frieden in Nahost und ein Symbol für die völkerverständigende Kraft der Universalsprache Musik. Und eine Botschaft, die in Zeiten von wieder erstarkendem Rechtspopulismus, Antisemitismus und Rassismus auch hierzulande bedrückend aktuell ist. Die Wahl Beethovens als idealer Komponist für die gemeinsame Arbeit ist den Solisten nicht schwer gefallen. „Beethoven hat wirklich erkannt, worum es im Leben geht: um das friedvolle Miteinander von uns Menschen, darum, dass wir füreinander da sind“, sagt Anne-Sophie Mutter. „Diese Idee, dass wir im Kern wie Brüder oder Schwestern miteinander leben sollen, ist für mich letztlich die Essenz seines Wirkens, die ihn zu einem Botschafter von der Vergangenheit in eine bessere Zukunft hinein werden lässt.“ Barenboim schätzt an Beethoven besonders dessen Mut, denn: „Er hat sich nicht darum gekümmert, was die Leute denken. Als Musiker zwingt er dich, an den Rand, den Abgrund und noch weiter zu gehen.“ Ein Vorsatz, dem Barenboim auch in seiner eigenen Künstlerbiographie folgt. Neben dem „Triplekonzert“ enthält das Album mit der „Siebten Sinfonie“ ein weiteres Stück mit unvergleichlich höherem Bekanntheitsgrad. Immer wieder wird vor allem der dramatische zweite Satz in diversen Hollywood-Schlagern wie „X-Men: Apocalypse“ oder „The King’s Speech“ verwendet. Der tänzerische Charakter des Werkes zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die Gesamtheit der vier Sätze.


FAZIT: Zu Beethovens 250. Geburtstag beschenkt die Deutsche Grammophon ihre Hörer mit einer erstklassigen Aufnahme renommierter Solisten, die einmal mehr beweisen, warum sie als einige der größten Beethoven-Interpreten der heutigen Zeit gelten. Und kein Orchester würde besser zu Beethovens brüderlicher Vision passen als das West-Eastern Divan Orchestra, das mit seiner Existenz als leuchtendes Beispiel für Verbundenheit in zerrissenen Zeiten steht.

Katharina Raskob