Kino

16.12. | Neustarts der Woche

Monte Verità - Der Rausch der Freiheit
DCM, 16. Dezember

Hanna ist hochsensibel zu einer Zeit, in der verletzliche Frauen als unbeherrscht galten und schmerzhaften gynäkologischen Behandlungen ausgesetzt wurden, um sie gefügig zu machen. Sie lebt mit ihrem reichen, tyrannischen Gatten und zwei Töchtern im Wien des frühen 20. Jahrhunderts und bekommt vor lauter bürgerlicher Enge kaum Luft. Dann erfährt sie von ihrem Therapeuten Otto vom Aussteigerparadies Monte Verità und folgt ihm dorthin. Das Sanatorium im Tessin, das im Mittelpunkt des Filmes steht, gab es wirklich. Prominente Patienten wie Richard Strauss oder C. G. Jung verweilten dort, im Film treffen wir auf einen witzigen Hermann Hesse, der den Veganismus im Sanatorium aufs Korn nimmt. Regisseur Stefan Jäger nähert sich der Geschichte kontemplativ. Die Kamera ruht auf Regentropfen, Gesichtern, und Waldinsekten. Maresi Riegner gibt als Hanna eine schmerzhafte Darbietung der schwierigen Stellung der Frau, und die Musik von Volker Bertelmann setzt subtile Noten von Trauer und Zuversicht.

Miguel Peromingo


Annette
Alamode, 16. Dezember

Was kann schon schiefgehen bei einer zweieinhalbstündigen Pop-Oper, deren Titelheldin von einer Marionette dargestellt wird und bei der einer der Hauptdarsteller gar nicht singen kann? Mit „Annette“ als Eröffnungsfilm hätten sich die Filmfestspiele in Cannes komplett lächerlich machen können. Stattdessen ist „Annette“ eine Sensation. Besonders Adam Driver als zynischer Stand-Up-Comedian und frischgebackener Vater mutiert via Selbstzweifel und Neid auf seine erfolgreiche Frau (Marion Cotillard) zu einem der schillerndsten Bösewichte der Filmgeschichte.

Ersonnen und komponiert haben „Annette“ die Brüder Ron und Russell Mael, besser bekannt als „Sparks“. Seit mehr als fünf Jahrzehnten sind sie nicht nur für ihre tanzbaren Rhythmen zu schwarzhumorigen Texten bekannt, sondern auch wegen Rons martialischem Oberlippenbärtchen. Der große Durchbruch blieb den „Sparks“ zwar immer verwehrt, dafür gönnen die Mael-Brüder unter Kollaboration von Leos Carax sich und uns nun diese gigantische Pop-Oper.

Edda Bauer