Literatur

16.11. | Buch der Woche

Christine Westermann • Die Familien der anderen

Kiepenheuer & Witsch

16.11. | Buch der Woche - Christine Westermann • Die Familien der anderen

Schon in Christine Westermanns bisherigen Werken spielten Bücher eine mal mehr, mal weniger große Rolle – ganz zu schweigen von den Momenten, in denen sie ihre Leidenschaft für Literatur nicht als Romanautorin teilte, sondern als Journalistin, TV-Moderatorin oder etwa Talkshow-Gast. Die 73-Jährige ist nie um einen Buchtipp verlegen. Insofern wirkt der Ansatz nur konsequent, den sie mit „Die Familien der anderen“ verfolgt – es ist ein Buch über Bücher, eine Biografie mit klarem Leitmotiv. Westermann legt darin in so schnörkelloser wie unterhaltsamer Sprache offen, dass ihr Leben ohne die Literatur wohl einen anderen Verlauf genommen hätte, angefangen bei Klassikern, die ihre Eltern ihr in jüngsten Jahren vorlasen, über die routinemäßigen Besuche der Stadtbibliothek als Jugendliche bis hin zur kritischeren Auseinandersetzung mit Literatur. Die macht dann auch vor einem Thomas Mann nicht Halt, dessen als Jahrhundertwerk gehandelter „Zauberberg“ nicht gerade zu Westermanns ewigen Favoriten zählt. Es gibt eben keine Heiligen Kühe in Westermanns Literaturuniversum. Nicht zuletzt deshalb hatte sie es als Kritikerin weit gebracht, bevor sie selbst zur Bestsellerautorin wurde, etwa als Rezensentin beim Stern, als Radiokolumnistin für den WDR und vor allem als Mitglied der Fernsehsendung „Das Literarische Quartett“. Dass sie trotz allem bis heute vor harten Verrissen zurückschreckt, ist letztlich das Ergebnis einer lebenslangen Haltung, die nie auf einen allzu theoretischen Umgang mit der Literatur abzielte, des Pragmatismus’ einer überzeugten Nicht-Germanistin: Westermann möchte – nicht mehr und nicht weniger – von Büchern begeistert werden. Hätte sie „Die Familien der anderen“ nicht selbst geschrieben, wäre sie es hiervon mit Sicherheit.

Christine Westermann
Die Familien der anderen

Kiepenheuer & Witsch, 224 Seiten

Lars Backhaus