Musik

16.11. | Album der Woche

Jean-Michel Jarre • Equinoxe Infinity

Equinox Infinity

Jean-Michel Jarre

Equinoxe Infinity

Columbia/Sony • 16. November


Unendlichkeit revisited

Der Elektronik-Pionier Jean-Michel Jarre legt nur zwei Monate nach „Planet Jarre“ bereits sein nächstes Studioalbum vor.

Es ist schon ein bisschen irre: Ein Jahrzehnt lang war es verdächtig still um Frankreichs elektronischen Kulturexport Nummer eins und einen der bedeutendsten Pioniere der elektronischen Musik. Ein Jahrzehnt, das, wie man nun in der Rückschau erfuhr, für den überragend jugendlich wirkenden 70-Jährigen wohl ein sehr düsteres war. Jenes hat er nun abgearbeitet und findet in der Musik nun wieder sein Heil – mit einem Arbeitsethos, der sprachlos macht. Das nun erscheinende „Equinoxe Infinity“ ist bereits sein viertes neues Studioalbum in drei Jahren, hinzu kommt die gerade erst im September erschienene Werkschau „Planet Jarre“. Viel Material für Fans und solche, die sich auf die Spurensuche der elektronischen Musik begeben wollen, und das Schönste dabei: Jede dieser Veröffentlichungen ist nicht nur optisch und konzeptionell, sondern ebenso musikalisch wertvoll. Dies gilt auch für diese Fortsetzung seines zweiten Albums „Equinoxe“, das auf den Tag genau 40 Jahre nach seinem Original erscheint. Dabei versteht Jarre diese Platte gerade nicht als unmittelbare Fortsetzung, sondern vielmehr als Neubetrachtung des symbolträchtigen Konzepts, das seinerzeit schon das Erstwerk beflügelte. Im Kern geht es um die schon auf der Ursprungsplatte im Zentrum von Cover-Artwork und Musik stehenden „Watchers“, einer Analogie zur heute allseits erlebbaren Überwachung des Individuums durch die Öffentlichkeit. Mit diesem Thema zeigte sich Jarre anno 1978 höchst visionär, wenn man die gegenwärtige Welt betrachtet; ausgelöst durch eine Begegnung mit Stephen W. Hawking, der Jarre erzählte, dass es für die Menschheit letztlich keinen anderen Ausweg gebe, als sich langfristig einen neuen Planeten zu suchen, griff er den Gedanken der „Watchers“ erneut auf. „Es ist nicht so, dass ich ständig darüber nachdenken würde, meine größten Hits unbedingt mit Fortsetzungen ergänzen zu müssen“, sagte er kürzlich. „Es ist vielmehr so, dass sich gewisse Themen einfach aufdrängen, zu denen dann die Musik entsteht.“ Und das Experiment gelingt: Wie schon in seinen aktuellen Live-Shows, so formuliert Jarre auch hier auf mitreißende Weise eine Dualität zwischen der eigenen Musik-Tradition und der Klangästhetik der postmodernen Gegenwart. Gerade in den Sounds hört man diese Brücke zwischen dem Gestern und Morgen ununterbrochen. Eine spannende Zuhör-Reise, der man sich nur schwer entziehen kann.

Sascha Krüger

Fazit: Mal abgesehen von dem leider etwas schwülstig geratenen Titelstück, das melodiös zu stark mit dem Mainstream-Trance liebäugelt, zeigt sich Jarre auf dieser Platte von seiner ganzen Grandezza: Klangästhetisch, dramaturgisch und kompositorisch ist dies ein Lehrstück dafür, wie tiefschürfend, facettenreich und reichhaltig elektronische Musik sein kann.