16.10. | Kinostart der Woche: Good Fortune

16.10. | Kinostart der Woche - Good Fortune
Foto: Leonine Studios

Himmlische Komödie mit irdischer Botschaft

Mit seiner Serie »Master of None« wurde Aziz Ansari vor zehn Jahren berühmt. Nun legt der indischstämmige US-Amerikaner mit »Good Fortune – Ein ganz spezieller Schutzengel« seinen ersten als Regisseur und Drehbuchautor selbst verantworteten Kinofilm vor. Und eine der Hauptrollen spielt er auch noch.

Mr. Ansari, »Good Fortune – Ein ganz spezieller Schutzengel« ist eine Bodyswap-Komödie und ein Film über einen Engel, aber auch eine bittere Geschichte über soziale Realitäten in den USA. Womit nahm das Projekt seinen Anfang?

Ich habe in den letzten Jahren viel Zeit in Los Angeles verbracht, wo die Vermögensungleichheit so präsent und sichtbar ist wie kaum irgendwo sonst. Da stehen die Leute Schlange für teure Croissants bei einer gehypten Bäckerei und auf der anderen Straßenseite hausen Menschen in windschiefen, undichten Zelten. Eigentlich ein unerträglicher Kontrast, aber inzwischen so normal, dass wir dagegen immer mehr abstumpfen. Von dieser Krise, dieser Welt, in der sich zu viele Menschen kaum noch etwas leisten können, wollte ich erzählen. Und so kam ich darauf, zwei Kerle ihre Realitäten tauschen zu lassen: einer hatte Glück und lebt sorglos dank seiner Crypto-Millionen, der andere ist in einen Teufelskreis geraten, weil er immer noch Schulden von seinen Studiengebühren hat und erst den Job und dann seine Wohnung verliert. Als mir dann noch die Idee mit Keanu Reeves als Schutzengel kam, hatte ich einen Film.

Ist die Gig-Economy, mit der sich der von Ihnen gespielte Arj über Wasser zu halten versucht, das große Problem unserer Zeit?

Auf jeden Fall ist sie ein Teil davon. Schon allein, weil wir zu oft vergessen, dass es echte Menschen mit individuellen Schicksalen sind, die uns jede Kleinigkeit bis an die Haustür liefern oder andere Aufgaben erledigen. Das gesamte System ist irgendwie kaputt, wie auch Keanus Engel feststellt, als er plötzlich unter den Menschen leben muss. Sein Job als Tellerwäscher reicht nicht, um davon zu leben. Dabei war das früher doch der Deal: Du arbeitest hart von morgens bis abends, aber zumindest kommst damit über die Runden. Heute müssen viele Zweit- und Drittjobs annehmen und haben immer noch nicht genug.

Klingt, als sei die Idee des amerikanischen Traums gestorben, oder?

Ich fürchte, so ist es. Fester Bestandteil dessen war die Gewissheit, dass es deinen Kindern einmal besser gehen wird als dir. Doch die Zeiten, in denen jede Generation mehr hat als die davor, sind definitiv vorbei. Ein Eigenheim ist inzwischen Luxus, viele können sich nicht mal mehr Kinder leisten. Auf dem Papier sind wir immer noch das reichste Land der Welt, aber daran haben immer weniger Menschen Anteil.

Trotzdem ist »Good Fortune« kein hoff- nungsloser Film geworden.

Nein, ich versuche immer, die Hoffnung nicht zu verlieren. Jeden Tag aufs Neue bemühe ich mich, die richtigen Entscheidungen zu treffen und mein Bestes zu tun. Mehr kann ich nicht machen. Ich bilde mir auch nicht ein, mit meiner Arbeit die Welt verändern zu können. Mein oberstes Ziel ist es, einen verdammt unterhaltsamen und witzigen Film auf die Leinwand zu bringen, in dem es idealerweise um Dinge geht, die uns alle betreffen. Wenn Leute daraus am Ende dann tatsächlich etwas mitnehmen, ist das ein erfreulicher Nebeneffekt.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu Keanu Reeves. Wie wurde der zu Ihrem Engel?

Anders als der dritte Hauptdarsteller Seth Rogen, der seit fast 20 Jahren ein guter Freund und Mentor für mich ist, kannte ich Keanu persönlich vorher nicht. Die Idee kam tatsächlich von seinem Team, und als meine Casting- Agentin das erzählte, fiel ich aus allen Wolken. Schon nach unserem ersten Treffen hatte ich nur noch Keanus Stimme im Ohr, wenn ich den Engel las. Und die Figur wurde durch diese Besetzung automatisch noch interessanter, weswegen ich noch ganz neue Szenen für ihn schrieb, auch mit Input seinerseits. Keanu ist einer der coolsten Kerle in Hollywood, ich kenne alle seine Filme und bin seit Ewigkeiten ein Fan von ihm. Dass er ziemlich lange nicht mehr in einer Komödie zu sehen war, machte die Sache jetzt noch reizvoll. Für ihn, für mich und auch fürs Publikum.


Good Fortune
1 Std. 38 Min

Eigentlich soll Schutzengel Gabriel (Keanu Reeves) nur Verkehrsunfälle verhindern, doch dann macht er den mittellosen und vom Leben desillusionierten Gig-Worker Arj (Aziz Ansari) zu seiner Mission. Entgegen einer Anweisung von oben tauscht er dessen Leben mit dem des reichen Tech-Unternehmers Jeff (Seth Rogen), um zu zeigen, dass Geld nicht glücklich macht. Doch das sieht Arj anders, und die Umkehr der Situation gestaltet sich auch deswegen schwierig, weil Gabriel zu einer menschlichen Existenz verdonnert wird. Als High Concept-Komödie mit kapitalismus-kritischem Schwerpunkt ist »Good Fortune – Ein ganz beson-derer Schutzengel« inhaltlich nicht allzu komplex. Aber die Geschichte hat das Herz am rechten Fleck, und amüsant ist sie mit mal albernem, mal satirischem Humor auf jeden Fall. Zumal Reeves sehr charmant die Vorzüge von Tacos, Tanzen und anderen irdischen Genüssen entdecken darf.

Patrick Heidmann


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