Literatur

16.06. | Buch der Woche

Zeruya Shalev • Schicksal

Berlin Verlag

Zeruya Shalev
Schicksal

Berlin Verlag, 416 Seiten

Jeden Morgen erwacht Atara mit dem Geschmack von Asche im Mund. So fühlt sich Verlust an. Die Architektin aus Haifa hat ihren zweiten Ehemann verloren, Alex, mit dem sie eine nicht unkomplizierte Beziehung führte. Aber nicht nur die schmerzende Gegenwart macht Atara zu schaffen. Sie kämpft auch mit dem Chaos einer Vergangenheit, die ebenfalls eine bittere Note hinterlässt. Über einen Privatdetektiv hat sie die erste Frau ihres verstorbenen Vaters ausfindig gemacht. Beide gehörten einer Untergrundmiliz an, die für die Gründung des Staates Israel kämpfte. Bloß liefert die Begegnung – typisch für Shalevs Romane – Atara mehr Fragen als Antworten. In „Schicksal“ verwebt die israelische Autorin eine Reihe von Motiven, die man aus ihrem Werk kennt: unverheilte Wunden und Familiengeheimnisse, Einbrüche der großen Politik ins fragile Private. Aber nichts davon wirkt aufgewärmt. In ihrer bildreich mäandernden Prosa schafft Shalev neuerlich eine mitreißende Geschichte über die Leerstellen des Lebens.

Patrick Wildermann