Musik

16.04. | Album der Woche

Girl in Red • If I Could Make It Go Quiet

World In Red / AWAL

Geduldige Heldin

Auf ihrem Debütalbum zeigt sich Marie Ulven alias Girl In Red gleich von ihrer persönlichsten Seite. Das ist nicht immer leicht, aber unumgänglich.

Inhaltlich geht es auf „If I Could Make It Go Quiet“ ans Eingemachte. Ulven singt auf über genau jene Themen, die sie selbst allzu gerne stummschalten würde. Dazu zählt beispielsweise der konstante Kampf mit ihrer psychischen Gesundheit. Wieso das der Hauptgrund dafür ist, dass sie ihr Debütalbum als ambitioniertes Projekt bezeichnet, zeigt sich im Gespräch schnell: „Natürlich ist dieses Album auch soundmäßig der nächste Schritt. Aber vor allem ist es für mich eine große Herausforderung gewesen, mich zu öffnen. Allerdings sind daraus wiederum neue Möglichkeiten entstanden.“
Trotzdem ist die brutale Offenheit, die vor allem in Songs wie „Serotonin“ mit voller Wucht auf die Hörer trifft, noch schwer: „Mir ist es mittlerweile nicht mehr unangenehm, über diese schwierigen Themen zu singen. Es stand für mich nicht zur Debatte, inhaltlich etwas anderes zu thematisieren, da mich ausschließlich diese Dinge beschäftigen. Ich kann mir nur noch nicht vorstellen, öffentlich darüber zu sprechen. Deswegen möchte ich auch nicht über die Albumveröffentlichung nachdenken. Natürlich freue ich mich, aber der Gedanke, dass jede Hörerin und jeder Hörer einen Einblick in mein Innenleben bekommt, macht mir auch Angst.“ Generell zeigt sich die 22-Jährige, die zu Beginn ihrer Karriere von diversen Medien als „homosexuelles, musikalisches Vorbild“ oder als „Heldin der LGBTQ-Community“ bezeichnet wurde, im Gegensatz zu ihrer Musik als introvertiert und bodenständig. „Ich nehme mich nicht so wahr. Natürlich ehrt es mich, aber ich sehe mich selbst einfach als Marie und hoffe auch, dass sich das niemals ändert.“

Dabei müsste Girl In Red ganz so bescheiden gar nicht sein. Ihr Debütalbum hat die Norwegerin nicht nur selbst geschrieben, sondern zu großen Teilen auch in Eigenregie aufgenommen und produziert. Eigenständigkeit ist der jungen Künstlerin ein wichtiges Anliegen: „Meiner Meinung nach reicht es in der Musikindustrie nicht aus, nur eine gute Stimme zu haben. Ich habe mir hinsichtlich der Produktion oder dem Arrangieren von Songs vieles selbst beigebracht. Natürlich war das ein langer und oft frustrierender Prozess. Ich habe manchmal ganze Wochen damit verbracht und am Ende stand trotzdem das Gefühl, keine Ahnung zu haben. Weil ich das Musikmachen liebe, hatte ich jedoch genügend Ausdauer. Ich glaube, daran scheitert es bei den meisten. Geduld ist eine wichtige Tugend.”


Girl In Red
If I Could Make It Go Quiet

World In Red/ AWAL, 30. April

Mal zurückhaltend, mal voller Energie nach vorne preschend: Marie Ulven alias Girl In Red schreckt auf „If I Could Make It Go Quiet“ vor keiner ihrer Facetten zurück. Während „Serotonin“ trotz des düsteren Texts als perfekte Pop-Hymne und als Stoßgebet an die Wiederöffnung der Tanzflächen fungiert, sind Songs wie „Midnight Love“ oder „Hornylovesickness“ prädestiniert für den verträumten Katermorgen am nächsten Tag. Mit ihrem Debüt macht die junge Norwegerin eines klar: Um sie wird es so schnell noch nicht still werden.


Foto: Julie Pike

Katharina Raskob