Literatur
16.01. | Hörbücher der Woche
Dunja Hayali • Stephen King • Inger-Maria Mahlke
INGER-MARIA MAHLKE
Archipel
gelesen von: Eva Gosciejewicz
Argon • 28. November
Warm und sanft begrüßt Eva Gosciejewicz‘ Stimme den Zuhörer in der vertonten Erzählung „Archipel“ auf Teneriffa. Wie in einer Schneekugel wird sich nun 13 Stunden lang die Geschichte Spaniens entfalten – rückwärts werden Bürgerkrieg, Faschismus und Friedenszeiten aufgewirbelt. In ihrem fünften Roman erzählt die studierte Juristin Inger-Maria Mahlke von Julio, dem über 90-jährigen Pförtner eines Altenheims, der fast 100 Jahre auf der Insel erlebt hat. Und von Rosa, seiner Enkelin, die gerade erst auf die Insel zurückkehrt. Es entspinnt sich eine umfangreiche Familiengeschichte über fünf Generationen. Mahlke begnügt sich jedoch nicht mit monokausalen Erzählabläufen: „Archipel“ ist kein klassischer Historienroman, vielmehr ist er ein Sinnbild für das Erleben von Zeit, in der Situationen und Zufälle wie in einer Schneekugel umeinander tanzen und schließlich auf den Boden der Vergangenheit sinken. Für ihren poetischen wie politischen Roman erhielt die Autorin in diesem Jahr den Deutschen Buchpreis. Caroline Hense
STEPHEN KING
Erhebung
gelesen von: David Nathan
Random House Audio • 12. November
Kaum ein anderer Autor ist so produktiv wie Stephen King. Von vielen noch als klassischer Horrorautor rezipiert, decken seine Romane Genres zwischen Kriminalgeschichten, Fantasyromanen und schaurigen Einblicken in das zeitgenössische Amerika ab. Im Kern steht immer der Mensch, mit all seinen Ängsten, psychischen Unwegsamkeiten und seinem Mitgefühl. In „Erhebung“ erzählt er die Geschichte eines Mannes, den die Schwerkraft verlässt – immerzu wird er leichter, ohne dabei sichtbar abzunehmen. Während sein 1984 unter dem Pseudonym Richard Bachmann erschienener Roman „Thinner“, in dem ein Mann durch einen Fluch ständig dünner wird, noch menschliche Abgründe ausleuchtet, scheint bei „Die Erhebung“ eher Zusammenhalt, Miteinander und ein diffuses Gefühl von Liebe im Mittelpunkt zu stehen. Vielleicht erreicht King eine Art Altersmilde. David Nathans Stimme verleiht der zweieinhalbstündigen Lesung einen warmen, ruhigen Klang, der das Einfühlen in die Charaktere der typischen King-Kleinstadt (ausnahmsweise nicht Derry) leicht macht. Marina Mucha
DUNJA HAYALI
Haymatland
gelesen von: Dunja Hayali
Hörbuch Hamburg • 30. November
Was eigentlich „Deutschsein“ heißt, wer die Deutungshoheit hat und was diese viel beschrieene „Heimat“ ist, darüber wird hierzulande viel diskutiert. Jetzt meldet sich die Jounalistin und Moderatorin Dunja Hayali ausführlich zu Wort – und vertont ihr neues Buch gleich selbst. Immer wieder wird sie auf den Plattformen der sozialen Medien und auch per Post mit Hassnachrichten bombardiert und diffamiert. Für sie kein Grund für einen Rückzug. Persönlich und authentisch erzählt sie von ihren Eltern, die aus dem Irak immigrierten, lange bevor Hayali geboren wurde. Entschieden rechnet sie ab mit denen, die ihr das für sie ganz selbstverständlich erscheinende Deutschsein absprechen wollen. So direkt sie Fremdenhass und Rassismus in die Schranken weist, so präzise sind die Analysen, mit denen sie argumentative Kurzschlüsse enttarnt. Ein durchdachtes, essayistisches Werk mit diskursiver Vielschichtigkeit gegen den Populismus hat Hayali vorgelegt. Fraglich ist, ob die richtigen Adressaten ihrer Lesung lauschen werden.
Marina Mucha