Musik

15.11. | Album der Woche

Erland Cooper • Carve The Runes Then Be Content With Silence

Decca · 20. September

15.11. | Album der Woche - Erland Cooper •  Carve The Runes Then Be Content With Silence

Foto: Mark Allen


Musikalische Ernte

Erland Cooper wollte nicht nur über die Natur schreiben, sondern mit ihr – und pflanzte die einzige Aufnahme von »Carve The Runes Then Be Content With Silence« für drei Jahre ein.

Erland Cooper, wo findet man eine Verbindung zwischen Natur und Musik?

Ich glaube, dass die Musik aus der Natur entstanden ist. Um das zu erkennen, muss man ihr nur mal zuhören: der Tierwelt oder den Bewegungen der Bäume. Außerdem sind alle Instrumente in ihrer ursprünglichsten Form aus Naturmaterialien gemacht.

Wie kamen Sie auf die Idee, die Album-Aufnahme für drei Jahre auf einem Stück Land auf den Orkneyinseln einzupflanzen?

Jede großartige Idee ist eine Kulmination aus mehreren guten, dies war auch hier der Fall. In der Musik ist es nicht unüblich, über Natur zu schreiben. Ich aber wollte herausfinden, wie es sein könnte, mit der Natur zu schreiben und sie in irgendeiner Form als aleatorisches Element in der Komposition zu nutzen.
Die digitalen Aufnahmen haben Sie komplett gelöscht. Wie schwer fiel Ihnen das?
Das war insgesamt sehr unerfreulich. Ein Klick und alles war weg. Aber ich hatte mir sämtliche Eventualitäten ausgemalt und meinen Frieden mit ihnen geschlossen: Vielleicht buddelt ein Hund die Aufnahme aus, vielleicht wird sie nie gefunden oder ist so zerstört, dass nichts mehr zu hören ist. Trotzdem hatte ich die romantische Vision, dass ein bisschen Musik überleben wird.

War dieses Projekt eine Lektion in Geduld?

Auf jeden Fall. Wir leben in einer Welt der sofortigen Bedürfnisbefriedigung. Geduldig sein kommt mittlerweile einem Akt des Widerstands gleich. Aber mittlerweile ist das Projekt für mich nicht mehr nur ein Stellvertreter für die Wertschätzung von Geduld, sondern auch für die Widerstandsfähigkeit der Kunst. Das Werk entstand während der Pandemie, als die Regierung Künstlern vorschlug, ihre Leidenschaft aufzugeben und sich in einem anderen Berufszweig ausbilden zu lassen. Dabei war es doch die Kunst, egal welcher Form, die die Leute durch die Pandemie brachte. Für mich schließt sich mit diesem Projekt der Kreis, dass nicht nur das Magnetband widerstandsfähig ist, sondern auch die Musik und Kunst selbst es sind.

Erinnern Sie sich an das Gefühl, als Sie das ausgegrabene Tape zum ersten Mal abspielten?

Es fühlte sich an, wie ein Tanz mit Geistern der Vergangenheit. Wie ein altes Bild von sich selbst, das man in irgendeiner Kiste findet. Während des Hörens musste ich öfter schmunzeln, weil ich einige Details ganz vergessen hatte. Es war, als hätte ich eine Zeitkapsel geöffnet.


erland cooper carve the ruins cover Erland Cooper
Carve The Runes Then Be Content With Silence
Decca • 20. September

Als Erland Cooper die einzige existierende Aufnahme von »Carve The Runes Then Be Content With Silence« einpflanzte, war der Ausgang dieses Experiments völlig ungewiss. Man spekulierte größtenteils, dass die Erde die Musik darauf gänzlich zerstören und nichts als Stille zurücklassen würde. Weit gefehlt, denn stattdessen erblüht das hoffnungsvolle Violinkonzert in vollem Glanz. Das beste Beispiel dafür, dass Perfektion auch bei klassischer Musik nicht der entscheidende Parameter sein muss.

Katharina Raskob