Kino

15.10. | Die Neustarts der Woche

DER BÄR IN MIR
MFA+ • 15. Oktober

Alaska. Zwischen tiefgrünen Tälern und funkelnden Bergzipfeln heftet sich Filmemacher Roman Droux an die Fersen der Grizzlybären. An seiner Seite: Bärenforscher David Bittner. Genau genommen ist es eigentlich Bittner, der Droux zielgerichtet mitzieht in das, was Experten ehrfürchtig als » letzte Wildnis Nordamerikas « bezeichnen. Damit hat sich Droux einen Kindheitstraum erfüllt, wie er selbst sagt. Teddybären, Bären in Zoos und jetzt eben der Grizzly in freier Wildbahn – ohne Netz und doppelten Boden. Keine Menschenseele sieht man hier, wo die großen Pranken das Sagen haben und ihre Spuren in Schlamm und Neuschnee hinterlassen. Durchflutet wird die Doku stets durch das arktische Sonnenflimmern, das uns kurz aus den Kämpfen und der gegenseitigen Fürsorge der Tiere herausreißt. Viel näher als die zwei Männer kann man den zotteligen Geschöpfen, sofern man nicht selbst als Bären-Snack enden will, wohl kaum kommen. Für eine Tierdoku ist das wohl das größte Kompliment. Ein Film wie ein Bär.
Benjamin Freund


OECONOMIA
Neue Visionen • 15. Oktober

Wie entsteht eigentlich Geld? Und wer übernimmt bei unternehmerischen Gewinnen die dafür notwendigen Schulden? Es sind einfache, auf den ersten Blick naive Fragen wie diese, mithilfe derer Filmemacherin Carmen Losmann ins Herz des gegenwärtigen Kapitalismus zielt. Gestellt werden sie hochrangigen Vertretern der Finanzwelt: ChefÖkonomen, Finanzvorständen, Vermögensberatern. Als Gegengewicht dient immer wieder ein Kreis kritischer Ökonomen, dem man bei einem etwas albernen Monopoly-Spiel zusehen darf. So wichtig die Fragen und die Adressaten, so richtig auch die Einsichten in das absurde Schneeballsystem des aktuellen Wirtschaftssystems – man bleibt als Zuschauer ein wenig ratlos zurück. Brillante Passagen zur Geldschöpfung durch Banken oder zur tautologischen Beziehung aus Wirtschaftswachstum, Krediten und Schulden stehen neben handwerklichen Fehlern: die Thesen als nerviger Bildschirmtext, Animationen in 80er-Jahre-Anmutung und nicht identifizierbare Off-Stimmen. Kein guter, dennoch ein wichtiger Film.
Daniel Monninger


I AM GRETA
Filmwelt • 16. Oktober

Sie liest den Eliten des globalen Politbetriebs eisern die Leviten, sie ist eine unerbittliche Anklägerin, die von manchen zur Ikone, von anderen zur Hassfigur stilisiert wird. Doch wer steckt hinter der gerade einmal 17-jährigen Schwedin Greta Thunberg? Eine sehr persönliche Dokumentation gibt Auskunft. Neben der Mahnerin, die vor der UN-Vollversammlung oder mit Regierungschefs wie Emmanuel Macron spricht, lernen wir die Klimaaktivistin auch in ihrem privaten Umfeld kennen: als Heranwachsende, die eine sehr enge Bindung zu ihrem Vater hat und früher nie zu Partys eingeladen war, als ganz normalen Teenager mit Zweifeln und Verrücktheiten. Nathan Grossman gelingt mit seinem Film ein sensibles Porträt. Die Kamera folgt Greta wie eine unsichtbare Beobachterin und lässt die Schülerin ihre eigene Geschichte erzählen. Glücklicherweise werden wir nur einer vermeintlichen Erlöserin gewahr, hinter der sich einfach eine junge Frau mit dem Wunsch nach einer besseren Welt versteckt.
Björn Hayer


Foto: MFA+