Literatur

Sven Regener
Glitterschnitter
Taschenbuch
480 Seiten, 15,00€

Sven Reger skizziert in "Glitterschnitter" ein schräges Bild von Kreuzberg der 80er-Jahre. Was er selbst als "minutiöses Protokoll weniger Tage vor dem Mauerfall" bezeichnet, beschreibt aufgedröselt 15 verschiedene Stimmen, die den Fokus auf die melancholische Trägheit des Alltags legen: Angefangen mit Charlie, Ferdie und Raimund, die mit ihrer Band Glitterschnitter auf dem Weg nach ganz oben sind - wenn auch langsam: ausgestattet mit Synthesizer, Schlagzeug und einer Bohrmaschine verlieren sie sich in Diskussionen über die richtige Bohrlautstärke. Dabei verfolgen sie doch eigentlich das Ziel, zur Kunstmesse "Wall City Of Noise" eingeladen zu werden. Gleichzeitig diskutieren österreichische Hausbesetzer über die Zukunft ihrer Galerie ArschArt, während Café-Mitarbeiter Erwin die Karriereleiter im Café Einfall langsam, aber eher unsicher, aufsteigt und seine Fähigkeiten beim Milch-Aufschäumen verbessert. Neben den humorvollen Seiten fällt in dem Roman auch die düstere Lebensrealität ins Gewicht: Emanzipation, Misserfolge und Freundschaften, die langsam auseinanderbrechen, lassen diese Momentaufnahme so lebensnah wirken. Element-Of-Crime-Sänger Sven Regener spielt mit szeneartigen Lebensausschnitten voller kleiner Dramen und skurrilen Dialogen, die von tiefer Menschenkenntnis zeugen. Sie sind es, die "Glitterschnitter" so bewegend, komisch und einzigartig machen. Jede Begegnung fühlt sich wie ein Wiedertreffen mit alten Freunden an. Selten war Nichtstun so spannend.