Musik

15.02. | Album der Woche

J.S. Ondara • Tales of America

J.S. Ondara J.S. ONDARA

Tales of America

Verve • 15. Februar

Der junge kenianische Folksänger J.S. Ondara hat sein Glück im kalten Norden der USA gefunden – mit Beharrlichkeit und einer berückenden Stimme.

Amerika, das war für ihn eine unerreichbare, in der Ferne schwebende Fee. „Th e starred and striped fairy of the West”, so nennt J.S. Ondara die Vereinigten Staaten. Ein zärtlicher Terminus, der verdeutlicht, wie groß seine Sehnsucht nach diesem gelobten Land gewesen sein muss. Ondara wuchs in Nairobi auf, seiner Liebe zu westlicher Musik frönte er mithilfe eines winzigen batteriebetriebenen Radios. Der Kenianer hörte Oasis und Nirvana, später Jeff Buckley und Pearl Jam. Er ahmte diese fernen Rockstars nach und begann im Alter von acht Jahren, Songs zu schreiben; der erste handelte von einem Hündchen namens Ramona. Ein Instrument konnte sich seine Familie nicht leisten, dennoch schrieb Ondara wie ein Besessener. Bald besaß er ein Songbook mit Hunderten von Liedern. Einmal wettete er, dass „Knockin‘ on Heaven’s Door“ von Guns N’Roses sei und nicht von einem Typen namens Bob Dylan. Der Teenager verlor die Wette und gewann ein Idol. Im Jahr 2013 zog Ondara in Dylans Heimatstaat Minnesota. „Ich war auf dem Weg nach Amerika, um eine Musikkarriere einzuschlagen“, erinnert sich Ondara. „Kontakte hatte ich keine und besaß weder ein Instrument noch konnte ich eines spielen. Was ich hatte, war ein dummer Traum, eine Menge Songs und eine Flut von Melodien, die darum kämpft en, meinen Kopf verlassen zu können.“ Mit diesem uramerikanischen Traum, den vor ihm so ähnlich schon Millionen Einwanderer geträumt hatten, beginnt „Tales of America“, das Debüt des jungen Musikers. „Das Album ist eine Dokumentation meiner Zeit hier”, erklärt Ondara. In Minneapolis hatte er Musiktherapie studiert und seine Folksongs in Cafés gespielt, ehe das Jazzlabel Verve auf seine grandiose Stimme aufmerksam wurde. Mit seinem hohen, klaren Ton erinnert der Sänger eher an Tracy Chapman als an männliche Vorbilder. Von Chapman hat Ondara auch den Hang zum Melodiösen, einfach Zugänglichen. Nur das Stück „American Dream“ ist auf Dylan-haft e Weise kryptisch; eine allseits bekannte Zeile („Your sons and your daughters are beyond your command”) aus dem berühmten Song „Th e Times Th ey Are a-Changin“ des großen Vorbilds blitzt nun sogar im dazugehörigen Video auf. Die Platte endet mit „God bless America“: keine konservative Tea-Party-Hymne, sondern eine schlichte Liebeserklärung an ein Land, das gut zu dem aufstrebenden Musiker war. Trotz winterlicher -9°C im eisigen Norden der USA, hat J.S. Ondara seine Fee gefunden.

Jan Paersch

FAZIT: Als Dylan-Fan hat J.S. Ondara gelernt: Wenn du einen guten Song hast, reduziere ihn auf das Nötigste. Drei der Songs auf seinem Debüt hat der Kenianer nur mit Akustikgitarre aufgenommen, das wehklagende „Turkish Bandana” gänzlich a cappella. „Tales of America“ ist ein angenehm altmodisches Singer/Songwriter- Album geworden. Ondara beweist hier, dass man nicht in den USA geboren sein muss, um uramerikanische Musik zu machen.