Musik

14.10. | Album der Woche

Karin Park • Private Collection

Pelagic

14.10. | Album der Woche - Karin Park • Private Collection

Grenzenlose Illoyalität

Karin Park schreibt Songs, so viel ist klar. Der komplette Rest ist bezugsoffen, raumgreifend und schwer zu erklären. Auf ihrem neuen Album mehr denn je.

Wen hat man nicht schon alles bemüht als Vergleich, um das Tun von Karin Park zu beschreiben: Kate Bush, Björk oder Karin Dreijer von The Knife beispielsweise. Es fallen Begriffe wie „Electro-Goth“ oder „Industrial-Pop“, die nur belegen, wie sehr zu kurz auch diese Kunstworte greifen. Fakt ist, dass die Musikerin, halb Schwedin, halb Norwegerin, einen weit verzweigten stilistischen Weg hinter sich hat. Sie verbrachte einige Jahre in der Glitzerwelt des Mainstream-Pop, schrieb unter anderem den norwegischen ESC-Beitrag des Jahres 2013, der Platz 4 erreichte, ihre Single „Superworldunknown“ wurde als „Norwegens bester Song aller Zeiten“ nominiert. Parallel avancierte ein Remix ihres Lieds „Tokyo by Night“ zu einem Frühwerk der EDM-Szene, betonierte sich wochenlang auf Platz 1 der Beatport-Charts und stürmte weltweit die House-Clubs. „Das waren alles gute Erfahrungen“, findet Park noch immer, „die aber vor allem zu einer Erkenntnis führten: Dort gehöre ich nicht hin.“ Also wurde sie festes Mitglied in der radikalen Noiserock-Band Årabrot ihres Ehemanns Kjetil Nernes – was ihr dabei half „mich kontinuierlich von gängigen Genres zu entfernen“, wie sie sagt, und immer mehr einer Musik zuzuwenden, die ebenso entrückt wie nahbar klingt und deren einziger Rahmen die Grenzenlosigkeit der Möglichkeiten bildet. Und dies auch sich selbst gegenüber: „Ein Großteil meiner Musik entspringt meiner Illoyalität gegenüber meinen eigenen Absichten“, erklärt sie. „Oft setze ich mir ein Ziel, stecke einen Rahmen ab, mit welchen Mitteln ich es erreichen möchte – und merke dann mitten im Prozess, dass ich all diese Vorhaben komplett über den Haufen geworfen habe.“

Stattdessen lässt Park Dinge einfach passieren, vermeintlich gegensätzliche Elemente ineinander fließen, die letztlich vor allem Ausdruck ihrer nicht minder vielseitigen Persönlichkeit sind – die neben der eigenen Musik als Teilzeit-Model, Schauspielerin oder Musical-Darstellerin erfolgreichen Ausdruck findet. Ihr mittlerweile siebtes Soloalbum „Private Collection“ erzählt dabei mehr über diese Persönlichkeit als alles zuvor. Sie versammelt darauf die zehn liebsten Eigenkompositionen ihrer Karriere, allesamt neu und mit heutigem Horizont betrachtet. Und mit einem Ziel: „Das jeweils eine dominierende, jedem Song innewohnende Gefühl möglichst ungefiltert zu visualisieren.“ Was ihr dabei erstaunlicherweise enorm geholfen habe, sei die penetrante Übermüdung einer Hochschwangeren beziehungsweise frisch gebackenen Mutter ihres zweiten Kindes gewesen, währenddessen das Album entstand: „Das hat mich in eine Art dauerhafte Trance versetzt, in der man umso intuitiver agiert.“

Karin Park
Private Collection

Pelagic, 14. Oktober

Ein antikes Harmonium im Wechselspiel mit modernsten Sequenzer-Sounds. Ein Mellotron im Duell mit einer dick pumpenden Bassdrum. Dichte Synthieklänge im Tanz mit aufgenommenen Alltagsgeräuschen, so genannten „Field Sounds“: Es gibt nichts, was nicht verwendbar erscheint, um Emotionen zu Songs gerinnen zu lassen. Über allem thront diese glasklare, ja sakrale Stimme von Karin Park. Die mit diesem Album eine derart rasant vielschichtige Homogenität erzeugt, dass man meint, die Klangwellen dieser Songs regelrecht greifen zu können.


Foto: LAUKLI&LAUKLI

Sascha Krüger