Literatur

14.09. | Buch der Woche

Thomas Melle • Das leichte Leben

Kiepenheuer & Witsch

14.09. | Buch der Woche - Thomas Melle • Das leichte Leben

Jan und Kathrin waren einmal das, was man ein cooles Traumpaar nennen kann – und sie wussten es, bildeten sich etwas darauf ein, gemeinsam Drogen, Nachtleben und Partyexzesse auszuleben. Inzwischen hat allerdings Tristesse ins Beziehungsleben Einzug gehalten. Kathrin, einst gefeierte Schriftstellerin, hat zur Geschichtslehrerin umgeschult. Jan findet immerhin als Moderator einer Boulevard-Fernsehshow bescheidenes Selbstbewusstsein. Zwei Kinder, ein Häuschen, Sex als Pflichtübung – wenn überhaupt. Und ein gewaltiger Überschuss an Sehnsucht: nach wildem Überschwang, nach der strahlenden Vergangenheit, nach Vereinigung und berauschendem Sex, also: nach dem leichten Leben. Das ist Thomas Melles Versuchsanordnung, in die Bewegung gerät, als Jan von einem anonymen Absender mit Nacktbildern, die ein Geistlicher in seinem Jugendinternat missbräuchlich aufgenommen hatte, erpresst wird und Kathrins fleischliche Sehnsüchte ein Ziel im jungen Keanu finden – ausgerechnet der Freund ihrer Tochter Lale. Und ihr Schüler. Melles Roman erschafft einen Mikrokosmos, dessen Innen- und Außenwelten gleichermaßen unbewohnbar erscheinen. Die Sprache ist so hart wie das leichte Leben, das sie beschreibt, Porno-Fantasien geben stakkatoartig durchexerzierten Swinger-Party-Episoden die abgewetzte Klinke in die spermabeschmierte Hand. Schön ist das nicht. Aber mitreißend, erschreckend, erhellend.

Thomas Melle
Das leichte Leben

Kiepenheuer & Witsch, 352 Seiten

Johannes Baumstuhl