Musik

14.05. | Album der Woche

Udo Lindenberg • Udopium – Das Beste

Warner

Mit Hut wird alles gut

Zum 75. Geburtstag schenkt sich Udo Lindenberg eine großzügige Werkschau. Die „Bunte Republik Deutschland“ feiert mit; sie hat ihm einiges zu verdanken.

Vielleicht ist es auch eine Generationenfrage. Wer nach einem bestimmten Datum geboren ist, kennt Udo Lindenberg nur aus dem Fernsehen, mit Hut und Sonnenbrille, wie er nuschelnd durch Galerien und Hotelfoyers stromert, naive Selbstporträts signiert und davon erzählt, wie er einmal nach Ostberlin gefahren ist, als alle anderen in die Gegenrichtung wollten. Menschen, die vor diesem vielleicht doch eher unbestimmten Datum geboren sind, kennen Udo Lindenberg dagegen vor allem von den Schallplatten, die er in den 70er-Jahren in schneller Folge veröffentlichte. Die waren ungemein erfolgreich, aber auch ungemein gut. Es spricht sogar einiges dafür, dass es Lindenberg war, der überhaupt dafür gesorgt hat, dass man wieder auf Deutsch singen und dabei echte Gefühle ausdrücken kann, etwas, das einem die sterile Schlagersprache der Nachkriegszeit gründlich vergällt hatte. Udo dagegen lüftete die BRD gehörig aus, indem er ein Vokabular etablierte, das herrlich schnoddrig und gleichzeitig verblüffend akkurat sowie überraschend zärtlich war. Und während sich die Normalbürger in ihrem „Spießertran“ das kleine Glück von Reihenhaus und Ferienreise erträumten, wollte Lindenberg Urlaub für immer, vor allem für die Sinne.

Eine beträchtliche Anzahl seiner Songs handelt von der Sehnsucht, der auch tatsächlich der Aufbruch folgt – und sei es ins noch so Ungewisse. Von Liebe und Sex ist ebenfalls freimütig die Rede, aber nicht in einer lustfeindlichen Sprache, sondern in einer, in der Frauen eben auch mal „mit Küssen tapeziert“ werden. 50 Jahre nach seinem ersten Auftritt wird Udo Lindenberg heute gerne als „Ikone“ bezeichnet, was leider auch eine gewisse Leblosigkeit suggeriert oder zumindest das Ende einer Geschichte. Geschichten erzählen will der Sänger aber immer noch, und deswegen finden sich neben 34 alten auch vier neue Songs auf „Udopium“, dem überbordenden Greatest-Hits-Album. Echte Single-Hits im Sinne von Charterfolgen hatte Lindenberg zwar nur wenige, aber dafür umso mehr musikalische Mitfahrgelegenheiten jenseits von Andrea Doria und Pankower Sonderzug. Auch das ist eine Erkenntnis, die sich aus der Wiederbegegnung mit seiner Diskografie ergibt: Udo Lindenberg ist nicht nur der Mann, der auf seiner Website Bademäntel von sich selbst verkauft, sondern auch der mit den Fans, die diese Art von Humor teilen. Und mit Humor ist der Sänger – anders als viele seiner Zeitgenossen – immer großzügig umgegangen.

Udo Lindenberg
Udopium – Das Beste

Warner, 14. Mai

Fast 1.000 Songs hat Udo Lindenberg in 50 Jahren Karriere geschrieben – da fällt die Blütenlese selbst dann üppig aus, wenn man sich auf zwei CDs beschränkt. 38 Stücke versammelt die reguläre Ausgabe, bei der Special Edition sind es 75. Die Reise zurück in der Zeit ist besonders für Nachgeborene interessant, die Lindenberg zwar als Gesamtkunstwerk, aber nicht in seinen einzelnen Bestandteilen kennen. Die zeigen: Der Panikrocker steht in seiner Vielfältigkeit für „Radikalität und Meisterschaft.“


Foto: Tine Acke

Markus Hockenbrink