Kino

14.04. | Kinostarts der Woche

14.04. | Kinostarts der Woche

  1. Alles ist gut gegangen
  2. Eingeschlossene Gesellschaft

Kein Tabu

Bereits als Jugendliche wurde Sophie Marceau mit den „La boum“-Filmen zum Star, später feierte sie mit „Braveheart“ und als Bondgirl Welterfolge und wurde zur Spezialistin für charmante Komödien. Nun meldet sich die 55-Jährige zurück und beweist mit François Ozons Sterbehilfe-Tragikomödie „Alles ist gut gegangen“ ihre darstellerische Bandbreite.

Sophie Marceau, kaum ein französischer Regisseur liebt die Arbeit mit Schauspielerinnen so sehr wie François Ozon. Wie kommt es, dass Sie beide nicht vorher schon zusammengearbeitet haben?
Es ist nicht so, dass wir nicht bereits darüber gesprochen hatten. Ich habe schon vor rund 30 Jahren einen seiner Kurzfilme gesehen, seither war ich Fan. Bereits damals war nicht zu übersehen, was für ein unglaubliches Talent er besitzt. Und natürlich ist mir nicht entgangen, dass alle tollen Schauspielerinnen mit ihm arbeiteten. Da war ich manchmal fast ein bisschen eifersüchtig. (lacht) Aber das erste Drehbuch, das er mir vor vielen Jahren anbot, passte einfach nicht. Trotzdem wusste ich, dass es eines Tages so weit sein und wir zusammen einen Film drehen würden.

Was sprach Sie nun ausgerechnet an der Geschichte von „Alles ist gut gegangen“ an?
Es handelt sich um eine wahre Geschichte. Sie basiert auf dem autobiografischen Roman der verstorbenen Schriftstellerin Emmanuèle Bernheim, die mit François befreundet war. Mich interessierte diese Frau, ihr Vater und warum sie sich dazu durchrang, ihm beim Sterben zu helfen. Und das, obwohl er alles andere als ein einfacher oder netter Mensch war und ihr Verhältnis ziemlich kompliziert. Das fand ich spannend. Ganz am Anfang präsentierte mir François das Projekt auf kaum mehr als drei Seiten, da war ich noch nicht sofort überzeugt. Aber was er dann daraus machte, fand ich großartig.

Sind Tod und Sterben Themen, mit denen Sie sich auseinandersetzen?
Wenn man mein Alter erreicht, wird man zunehmend mit dem Tod konfrontiert, schon vor einigen Jahren ist meine Mutter gestorben. Vor meinem eigenen Tod habe ich jedoch keine Angst, und kann auch nicht behaupten, ständig daran zu denken. Allerdings finde ich es gut und wichtig, dass man über das Sterben spricht und es nicht tabuisiert. Erstaunlich offene und ehrliche Gespräche kann man darüber oft mit Kindern führen. Ich werde zum Beispiel nie vergessen, wie mein Sohn mal zu mir kam, nachdem er ein Gespräch unter Erwachsenen mitgehört hatte, und ganz unvermittelt zu mir sagte, er wolle nicht verbrannt werden, wenn er tot sei. Das traf mich vollkommen unvermittelt, aber wir sprachen dann wirklich ausführlich und auf ganz wunderbare Weise über viele Aspekte in Zusammenhang mit dem Tod.

Das Thema Sterbehilfe wird allerdings vielerorts kontrovers diskutiert...
Was ich gut verstehen kann. Ich finde das ist keines, bei dem es unbedingt eindeutige Antworten gibt. Ich bin mir zum Beispiel sehr sicher, dass ich mich privat ähnlich verhalten hätte wie meine Figur in „Alles ist gut gegangen“. Ich hätte mein Bestes getan, die Wünsche des Menschen, den ich liebe, zu erfüllen. Gesamtgesellschaftlich gesehen erkenne ich da allerdings mehr Grauzonen. In Frankreich ist die Sterbehilfe weiterhin verboten, und tatsächlich wäre ich besorgt, wenn das Sterben zu leicht gemacht wird und womöglich eine Art Sterbe-Industrie entsteht. Ich würde mich fragen, wohin das dann womöglich noch führen könnte. Ich bin also hin- und hergerissen – und sehr froh, nicht als Politikerin oder Richterin final darüber entscheiden zu müssen.

Nochmal zurück zu Ozon: Wie ist denn nun die Arbeit mit ihm als Regisseur?
Ich fand es spannend und bemerkenswert, dass er nicht nur sehr aufmerksam und smart ist, sondern wirklich jederzeit alles im Blick und unter Kontrolle hat. Trotzdem bleibt er dabei an seinem Gegenüber interessiert. Mit seinem Blick als Regisseur ist er ganz nah dran an seinen Schauspielerinnen und Schauspielern, aber menschlich wahrt er auch eine gewisse höfliche Distanz. Deswegen bleibt er, bei aller Neugier, die ich in ihm spüre, auch nach wie vor ein kleines Rätsel. Das machte unsere Zusammenarbeit so außergewöhnlich.

Interview: Patrick Heidmann

Alles ist gut gegangen

  1. April, 1 Std. 49 Min.

Nach einem Schlaganfall bittet ein egozentrisch-herrischer Vater (André Dussollier) seine Tochter Emmanuèle darum, ihm das Sterben zu ermöglichen – und nach anfänglichem Zögern willigt sie gemeinsam mit ihrer Schwester ein. Aus dieser Prämisse hätte sich schnell ein schweres, bedrückendes und moralinsaures Drama über Sterbehilfe entwickeln lassen. Doch François Ozon, der stets spielerisch zwischen den Genres wechselt, inszeniert stattdessen einen warmherzigen, ja oft leichtfüßigen und sogar komischen Blick auf eine komplexe Vater-Tocher-Beziehung und ebensolche Familienkonstellation. Charlotte Rampling und Hana Schygulla haben kurze, aber prägnante Auftritte, und Marceau, die sonst so oft auf harmlose Komödien reduziert wird, erfüllt den Film in einer ihrer schönsten Rollen mit strahlendem Leben.


Eingeschlossene Gesellschaft

  1. April, 1 Std. 41 Min.

Am Freitagnachmittag giften sich die Pauker eines Gymnasiums im Lehrerzimmer an. Bis Manfred Prohaska (Thorsten Merten) hereinstürmt und die Abiturzulassung für seinen Sohn verlangt. Es fehlt nur ein einziger Punkt, doch Studienrat Engelhardt (Justus von Dohnányi) verweigert ihn. Prohaska zieht eine Waffe, verlangt eine Abstimmung aller Lehrkräfte, die er derweil einsperrt. Nach dem gleichnamigen Hörspiel von Jan Weiler ist Regisseur Sönke Wortmann („Contra“) eine weitere minimierte Gesellschaftssatire (Schauplatz ist ein einziger Raum) à la „Frau Müller muss weg“ gelungen – mit ausgeklügelten Dialogen und bösen Überraschungen. Denn hinter dem Leistungsdruck auf die Schülerschaft verbergen Pädagogen oft eigene Komplexe, was in Arroganz und Dekadenz ausartet. Hier werden sie enttarnt, und zwar mit einer gesunden Portion Spott. Galgenhumor vom Feinsten, getragen von einem herrlichen Lehrer-Ensemble, darunter Anke Engelke als spröde Schreckschraube und Florian David Fitz als schwänzelnder Sportlehrer.

Markus Tschiedert


Foto: Carole Bethuel, Mandarin Production