Musik

14.01. | Album der Woche

Oliver Earnest • The Water Goes The Other Way

Glitterhouse

Foto: Ilkay Karakurt


Mahagoni für die Ohren

Nomen est omen. Oliver Earnest macht Musik mit unheiligem Ernst. Sein Debütalbum ist abgefeimt, aber nicht abgeklärt. Wer es hören will, muss fühlen.

Oliver Ernst Hauber kommt aus Stuttgart und ist in Sachen Musik eigentlich so etwas wie ein alter Hase. Als Sänger der Postpunk-Band Kaufmann Frust steht er schon seit acht Jahren auf der Bühne und damit fast so lange wie die Lokalmatadore von Die Nerven. Deren „kometenhaften Aufstieg“ am Indierock-Firmament habe man in der Szene genau verfolgt, genau wie das interessante Detail mit ihrer Schallplattenfirma. Die nennt sich Glitterhouse, ist seit den Achtzigern erst die deutsche Heimat des Grunge gewesen und hat dann einflussreiche Rockbands mit Americana-Anschluss veröffentlicht, darunter 16 Horsepower und die Walkabouts. Beides Bands, deren Musik Oliver Hauber viel bedeutet, schließlich wuchs der Sänger in den USA auf und begeisterte sich schon immer für jenen Teil der dortigen Kultur, die feine Songwriter hervorbringt. Eine Tradition, in der auch sein Debütalbum steht, das auf Vermittlung von Nerven-Schlagzeuger Kevin Kuhn ebenfalls bei Glitterhouse erschienen ist.

„Meine Songs sind wesentlich besonderer als meine Person“, sagt Oliver Hauber in einem Anflug von Bescheidenheit, die vielleicht nicht seine Musik, wohl aber sein Auftreten charakterisiert. Der Sänger zeigt sich weder in Musikvideos noch auf Plattenhüllen, und selbst sein Bühnenname legt einen zarten Schleier um seine Person. Aus Oliver Ernst wurde Oliver Earnest, weil das erstens zu den englischsprachigen Texten passt und zweitens zum Anspruch der Musik. „Earnest“ im Sinne von aufrichtig soll die sein, und außerdem den ernsthaften Versuch beschreiben, „auch dort Gehör zu finden, wo Kaufmann Frust vielleicht weniger Gehör fand.“ Damit sind vor allem Kreise gemeint, die bei Konzerten lieber sitzen. Unglaubliche 60 Songs hat Huber im Vorfeld der Produktion geschrieben, und wenn deren Qualitätsniveau mit den zehn Kandidaten auf „The Water Goes The Other Way“ vergleichbar ist, hängt Oliver Earnests Himmel demnächst voller Geigen. Oder vielmehr voller Gitarren und Klaviere.

Das nämlich sind neben seiner zartschmelzenden Stimme die bevorzugten Instrumente für die behaglichen und feierlichen Songs, die Hauber mit erstaunlicher Raffinesse ausstaffiert hat. Mahagoni für die Ohren sozusagen, und gar nicht so weit von dem entfernt, wofür Konstantin Gropper alias Get Well Soon schon seit Jahren gefeiert wird. Genau wie dieser setzt Oliver Earnest auf Stil und Dezenz. „Ich schaffe lediglich den Kontakt zwischen den Songs und dem Publikum“, sagt er.

Oliver Earnest
The Water Goes The Other Way

Glitterhouse – 26. November

Bright Eyes, Iron & Wine, The Mountain Goats – Oliver Hauber hat große Vorbilder, die in Sachen US-Indiefolk zu den absoluten Kritikerlieblingen zählen. Die transatlantischen Inspirationen klingen auf „The Water Goes The Other Way“ immer wieder an, und doch ist das Album ganz klar die Frucht des eigenen Kreativgartens. Ein Trick gelingt dem Sänger besonders gut: Wenn die Melodien wie in „The Usual Amount“ hymnisch und überlebensgroß werden, ist das jedes Mal unpeinlich, erhaben, lebensbejahend.

Markus Hockenbrink