Literatur
13.11. | Buch der Woche
Matteo B. Bianchi • Von dem, der bleibt
dtv
Matteo B. Bianchi
Von dem, der bleibt
Aus dem Italienischen von Amelie Thoma
dtv / 304 Seiten / 24,00 €
Nach der Trennung wolle er nur noch ein paar Sachen aus der Wohnung holen. »Keine Sorge, wenn du wiederkommst, bin ich schon nicht mehr da«, hatte A. noch gesagt. Worte, die eine ganze andere Bedeutung bekamen, nachdem Matteo B. Bianchi in seine Wohnung kam und den Exfreund dort erhängt auffand. Mehr als 20 Jahre hat es gedauert, bis der italienische Schriftsteller das Trauma verarbeiten und das Buch schreiben konnte, das er nach dem Schock selbst gerne hätte lesen wollen. »Von dem, der bleibt« heißt es, und setzt sich aus einzelnen Fragmenten zusammen, weil er nichts anderes zur Verfügung habe, wie der 1966 in Mailand geborene Bianchi es formuliert. Bei der Beerdigung muss er in der zwölften Reihe sitzen, weil die Familie des Verstorbenen ihm als dem homosexuellen Freund keine Rolle, keinen Status zubilligen will. Mühsam ist der Weg zurück ins Leben. So authentisch wie das nur einer kann, der all das wirklich erlebt hat, spürt Bianchi seinen Schuldgefühlen nach. Er erzählt, wie er in der Literatur, bei Therapeuten und selbst bei Geistersehern Antworten suchte. Vergebens. Matteo B. Bianchi findet eine Sprache für das Unaussprechliche, eine Form für das Unbegreifliche. Die Schwere dessen, was er den Lesern zumutet, ist ihm bewusst. Als Schriftsteller aber bleibt ihm gar keine andere Möglichkeit, als darüber zu schreiben. Das ist seine Art, die Erlebnisse zu verarbeiten und zu bewältigen. »Man wird nicht gerettet«, heißt es an einer Stelle. »Man entscheidet.« Ob man weiterleben will, oder nicht. Ob man weiterschreiben will, oder nicht.
Welf Grombacher