Musik
11.12. | Album der Woche
Kylie Minogue • Disco
BMG/WarnerFoto: Denys Dionysios
KYLIE MINOGUE
Disco
BMG / Warner • 06. November
Dance Music mit Köpfchen
Kylie Minogue, seit über 30 Jahren aus dem Musikgeschehen nicht wegzudenken, lässt sich auch von einer Pandemie nicht kleinkriegen. "Disco", das 15. Album der australischen Pop-Legende, ist gespickt mit euphorischen Songs wie der aktuellen Single "Magic". Wir erreichten die 52-Jährige per Telefon in London.
Miss Minogue, Sie beschreiben Ihr neues
Album als »Disco für Erwachsene«. Was meinen
Sie damit?
Den Begriff hatte ich komischerweise schon im
Kopf, bevor ich mich überhaupt an die Arbeit
gemacht hatte. Ich wusste von Beginn an, dass
ich mich nach etwas mehr Tiefe in meinen
Songs sehnte. » Say Something « zum Beispiel ist
für mich doch weit mehr als ein simples Liedchen
mit einer schlichten Story. Außerdem bin
ich 52 Jahre alt und mache mir viele Gedanken
darüber, wie ich in die heutige Musikwelt hineinpasse.
Ich will weiter Dance Music machen,
aber mit etwas mehr Köpfchen.
In letzter Zeit wird viel über die Spaltung der
Gesellschaft diskutiert. In »Say Something«
singen Sie ausdrücklich über Zusammenhalt.
Die Botschaft ist: Alle sollen Spaß haben
– Frauen, Männer, Alte, Junge, die LGBTQ-Gemeinde.
Wollen Sie mit Ihrer Musik die
Gräben überwinden?
Ohne jetzt übermäßig dramatisch klingen
zu wollen: Ja! Ich glaube fest daran, dass eine
Gemeinschaft immer stärker ist als jeder Einzelne.
Ich finde es fantastisch, dass zu meinen
Konzerten wirklich alle erdenklichen Leute
kommen. Und auch in einer Disco, in einem
Club kommen die Leute zusammen und feiern
gemeinsam. Die Idee der Inklusion, des Wirschließen-
Niemanden-aus, der Gedanke des
Freiseins, all das findet man in einem Nachtclub,
wenn alle so richtig die Sau rauslassen.
Wir Menschen müssen uns verlieren, um uns
zu finden. Das Leben ist nicht nur Arbeit und
Pflicht.An Orten wie Clubs wächst man über
sich hinaus. Eine Nacht auf der Tanzfläche
kann glücklich machen. Aber, oh Mann, bis auf
Weiteres findet das alles nur noch in unserer
Fantasie statt.
Sie haben das Album unlängst mit einem
Streaming-Konzert live vorgestellt. Wie sehr
fehlen Ihnen Konzerte, das Ausgehen?
Am meisten fehlt mir neben all dem meine
Familie. Sie lebt zwar ohnehin in Australien,
trotzdem kommt es mir vor, als wäre sie dieses
Jahr viel weiter weg. Früher konnte ich, wenn
ich Heimweh oder Sehnsucht hatte, einfach
ein Ticket kaufen und meine Lieben besuchen.
Theoretisch ginge das jetzt auch noch, es ist
aber viel, viel umständlicher und komplizierter
als sonst. Was uns bleibt, sind Telefon- und Videokonferenzen.
Stimmt es, dass Sie sogar Ihre Gesangsspuren
für das Album nicht im Studio, sondern daheim
aufgenommen haben?
Ja, das ist richtig. Anfangs war das stressig,
doch ich hatte zum Glück findige Mitarbeiter,
die mir sehr dabei geholfen haben. Ich bin weit
davon entfernt, ein Nerd in Sachen Aufnahmetechnik
zu sein, aber tatsächlich habe ich eine
Menge gelernt, und es hat schlussendlich auch
gut funktioniert.
Welche Disco-Größen beeinflussten Sie
besonders?
Wo soll ich da anfangen? Donna Summer, die
Bee Gees, Chic, Gloria Gaynor und ganz besonders
Abba. Als ich alt genug war, um zu wissen,
wie der Plattenspieler meiner Eltern funktionierte,
fing ich an, diese Musik zu lieben.
»Disco« ist sogar für Ihre Verhältnisse ein
ausgesprochen flottes und peppiges Album.
Haben Sie die Platte als Medikament gegen
die Corona-Trübsal gedacht?
Es ist sicherlich eine der wirkungsvolleren
Maßnahmen, um die Leute aus dem Stimmungsloch
zu holen. Und wenn wir schon nicht
rausgehen und feiern können, dann bleibt uns
immer noch die Küchendisco.
Küchendisco?
Man lädt sich ein paar Leute nach Hause ein,
alle mit Drink in der Hand. Irgendwann schreit
einer »Wir brauchen mehr Platz!«, dann schieben
zwei das Sofa zur Seite, was jedes Mal ein
paar fiese Schrammen auf dem Parkett zur Folge
hat, aber egal. Für eine gute Party, selbst eine
sehr kleine, bringe ich gerne Opfer. (lacht)
Sie könnten, ganz antizyklisch, eine Disco
aufmachen.
Darf ich ja gerade nicht. Aber ich bin zuversichtlich.
Das Lebensgefühl, das eine gute Clubnacht
in uns auslöst, werden wir so bald nicht
vergessen. Disco ist letztlich mehr als nur ein
Musikgenre. Für mich ist es eine Geisteshaltung,
eine Lebenseinstellung. Lange vor Social
Media war der Club der Ort, an dem wir uns
präsentiert haben. Und zwar nicht virtuell, sondern
du musstest tatsächlich: da sein.
FAZIT:
Fast ulkig, dass Kylie Minogue
über 30 Jahre brauchte, bis sie
auf die Idee kam, eines ihrer
Alben » Disco « zu nennen. Alles,
was man mit diesem Begriff
assoziiert – Pop, Pomp und Glitzer
– findet sich seit jeher in ihrer
Musik. » Where Does The DJ Go? «
erinnert gleich zum Auftakt an
die Disco-Legenden Chic,
» Magic « ist zuckerglasierter
Kylie-Pop der besten Sorte und
das abschließende » Celebrate
You « eine Hymne auf jede und
jeden Einzelnen von uns.
Steffen Rüth