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11.06. | DVD der Woche

The Favourite - Intrigen und Irrsinn

The FavouriteTHE FAVOURITE – INTRIGEN UND IRRSINN

20th Century Fox • 13. Juni

Mächtige Frauen

Schon als er noch in der griechischen Heimat drehte, galt Yorgos Lanthimos als einer der spannendsten Regisseure des europäischen Kinos. Mit der Verlagerung nach Großbritannien hat sich daran nichts geändert, wie er mit » The Favourite – Intrigen und Irrsinn « einmal mehr untermauert. Der ungewöhnliche Kostümfilm bescherte Hauptdarstellerin Olivia Colman einen Oscar, ihm selbst eine Nominierung.

Herr Lanthimos, anders als bei Ihren vorangegangenen Filmen stammt bei » The Favourite – Intrigen und Irrsinn « das Drehbuch nicht von Ihnen und Efthymis Filippou. Wo liegt der Ursprung des Films?

Ich bekam das ursprüngliche Drehbuch von der Autorin Deborah Davis in die Hände und war auf Anhieb fasziniert, denn ich hatte das Gefühl, so etwas noch nie gelesen zu haben. Die Geschichte von drei mächtigen Frauen mit komplizierten Persönlichkeiten und Beziehungen untereinander, die in jener Zeit nicht nur das Schicksal eines ganzen Landes, sondern auch eines Krieges in den Händen hielten – so etwas ist im Kino ja nicht gerade an der Tagesordnung.

Sie haben dann allerdings noch einen weiteren Autoren engagiert.

Das ist richtig. Dass Davis das Drehbuch schrieb, ist 20 Jahre her, doch das Projekt kam lange nicht vom Fleck. Als ich dann Interesse zeigte, machte ich mich zunächst daran, gemeinsam mit ihr das Skript zu überarbeiten. Wir strukturierten die Geschichte um und konzentrierten uns zum Beispiel noch mehr auf die drei Protagonistinnen. Doch ich spürte auch, dass es noch eine weitere, eine andere Stimme bräuchte, um das Bestmögliche aus diesem Stoff herauszuholen. Ich las hunderte Drehbücher und Theaterstücke, um die Stimmfarbe zu finden, die mir vorschwebte. So stieß ich auf Tony McNamara in Australien.

Der Film ist ziemlich amüsant. War das von Beginn an so geplant?

Der richtige Tonfall fand sich, sobald ich Tony fand. Ich hatte schon einen sehr bestimmten Stil und diesen bösen Witz im Sinn, aber erst mit ihm ließ er sich zu Papier bringen. Ob man den Film nun als Komödie beschreiben möchte oder als Drama, überlasse ich anderen. Ich selbst halte nichts von derartigen Schubladen.

Für einen Kostümfilm wirkt er sehr frisch und modern. Wie haben Sie die richtige Balance gefunden?

Uns war wichtig, dass der Film fest in der Zeit verankert ist, in der er spielt, aber trotzdem einen erkennbaren Bezug zu unserer heutigen Welt herstellt. Deswegen haben wir uns auch früh entschieden, nicht auf Biegen und Brechen versuchen zu wollen, eine Sprache zu kreieren, die womöglich damals so geklungen haben könnte. Stattdessen klingen die Dialoge jetzt eben moderner. Bei den Kostümen gingen wir ähnlich vor: die sehen zwar auf ersten Blick aus wie von damals, doch wir haben Materialien von heute dafür verwendet.

An historische Korrektheit haben Sie keinen Gedanken verschwenden?

Darum ging es mir jedenfalls nie – und ich glaube auch, dass der Film von Anfang an vermittelt, dass es hier nicht darum geht, ein akkurates Geschichtsbild abzugeben. Nicht dass wir nicht recherchiert hätten, im Gegenteil. Aber wir haben eben ganz bewusst entschieden, welche Informationen wir für unsere Zwecke nutzen und welche wir ignorieren. Insgesamt würde ich sagen, dass wir dabei nichts vollkommen auf den Kopf gestellt, sondern die Realität eher ein wenig überhöht haben. In Zeiten von Königin Anne war es tatsächlich so, dass die Frauen vergleichweise schlicht gekleidet und frisiert waren, während die Männer High Heels, Perücken und Make-up trugen. Immer wenn wir dachten, eine bestimmte Perücke sei vielleicht doch ein wenig zu dick aufgetragen, fanden wir irgendwo ein Gemälde, auf dem ein Mann tatsächlich fast genau so aussah.

In der Fokussierung auf die drei Frauen an den Schalthebeln des Hofes und der Darstellung der Männer als schwache bis lächerliche Figuren wirkt » The Favourite « wie gemacht für unsere Zeit. War Ihnen diese Relevanz der Geschichte bewusst?

Das kann ich mir nicht wirklich auf die Fahnen schreiben. Der Grund dafür, dass ich schon vor acht Jahren Lust darauf hatte, einen Film über mächtige Frauen zu machen, war mein ganz persönliches Interesse. Eine gesellschaftliche Entwicklung habe ich dabei nicht dezidiert vorhergesehen. Aber das ist auch gar nicht wichtig. Filme werden schließlich immer im Kontext jener Zeit wahrgenommen, in der sie gesehen werden. Die Intentionen, die der Regisseur Jahre vorher oder während der Entstehung hatte, sind zweitrangig. Interview: Patrick Heidmann

FAZIT: Getragen von großartigen Schauspielerinnen (allen voran Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone) sowie bemerkenswerten Bildern und Kostümen, wandelt Lanthimos mit » The Favourite « stilsicher auf dem schmalen Grat zwischen Tragik und Witz, Eiseskälte und Polit- Psychologie, unter dem sich wahre Abgründe auftun. Ohne Frage einer der Filme des Jahres!