Musik

11.03. | Album der Woche

The Divine Comedy • Charmed Life

PIAS

Foto: Kevin Westenberg


Heute leichter

Nach 30 Jahren gönnt sich Neil Hannon mit The Divine Comedy eine Rückschau. Im Gespräch erzählt der Nordire, warum seine Musik früher ernster klang als heute.

Mr. Hannon, welchen Sinn hat ein Best-of-Album im Zeitalter des Streamings?
Keinen, deshalb: Kaufen Sie bitte dieses Album nicht. (lacht) Nein, ich glaube, es ist ein guter Startpunkt, wenn Leute sich sagen: „Ah, ich wollte die Musik von The Divine Comedy schon immer mal entdecken, weiß aber nicht, wo ich anfangen soll.“ Nun wissen Sie es! Und wenn es Ihnen gefällt, dann kaufen Sie danach doch das Boxset mit allen Platten, dann besitzen Sie alles!

Erst das Boxset, jetzt das Best-of: Sie haben sich intensiv mit Ihrem Katalog beschäftigt. Was haben Sie dabei über Ihr Werk gelernt?
Dass es sehr groß ist, vielleicht zu groß. Und dass die älteren Platten den Anschein erwecken, als wären sie von einer sehr nachdenklichen Person aufgenommen worden, während die späteren Alben leichter klingen.

Auf den alten Alben klingen Sie tatsächlich viel älter, als Sie waren. Auf den letzten klingen Sie viel jünger, als Sie sind.
Ich habe als jüngerer Mensch das Leben eines Pop-Nerds gelebt, ich las sehr viel, hortete Platten, ging wenig aus, war viel allein. Da ergaben sich komplexe Gedanken. Heute besitze ich viele Hunde, ich habe viele Dinge erlebt und gesehen – da liegt es auf der Hand, leichtere Lieder zu schreiben, die davon handeln, das Leben nicht ganz so ernst zu nehmen.

Gibt es ein Album, das Sie heute noch einmal anders aufnehmen würden?
„Regeneration“ habe ich zusammen mit dem Produzenten Nigel Godrich aufgenommen. Ich schrieb dafür ein paar Songs auf der akustischen Gitarre, die ich ihm dann übergab. Er machte eine Platte daraus, die ganz anders klingt als andere Alben von The Divine Comedy. Er hat die Lieder zu seinen gemacht. Das war der Deal, und einiges ist ihm sehr geglückt. Dennoch steht mir „Regeneration“ nicht so nah wie andere Platten aus meinem Werk.

Verspüren Sie jetzt eine große Motivation, neue Lieder zu schreiben? Oder fühlen Sie sich wie gelähmt, weil Sie denken: Ich habe eigentlich schon alles gemacht in den vergangenen 30 Jahren?
Eher Letzteres. Wobei ich mich darauf freue, nach dieser langen Rückschau wieder etwas Neues zu schreiben. Der Vorteil ist: Ich bin blank, ich habe die vielen Songs aufgebraucht, die ich in den 2010er-Jahren geschrieben habe. Die Idee, vor einem leeren Blatt zu sitzen, reizt mich. Ich habe nichts – bis auf den Album-Titel. Aber bevor sie mich jetzt fragen: Den werde ich Ihnen natürlich nicht verraten.


Divine Comedy

The Divine Comedy
Charmed Life

PIAS, 04. Februar

Seit dem ersten Album „Liberation“ (1993) sind The Divine Comedy eine Konstante, wenn es um geschmackvoll-opulenten Pop geht. Die Best-of-Platte „Charmed Life“ führt Hits wie „National Express“ und „Generation Sex“ mit Fan-Favoriten wie „Our Mutual Friend“ oder „Your Daddy’s Car“ zusammen. Neu ist das Selbstverzeihungs-Lied „The Best Mistakes“; eine zusätzliche Bonus-Platte bietet Songs der letzten Jahre, die auf den Alben keinen Platz gefunden haben, darunter eine Version des Klassikers „Perfect Lovesong“ im Stil der Beach Boys.

André Bosse