Musik

11.02. | Album der Woche

Elise LeGrow • Grateful

BMG

Foto: Jen Squires


Vom Gestern ins Heute

Die Kanadierin Elise LeGrow macht klassischen R’n’B mit modernem Antlitz. „Grateful“ fesselt immer dann am meisten, wenn die Songs persönlich werden.

„Es hat angefangen, bevor ich überhaupt wusste, was Musikgenres sind“, sagt Elise LeGrow. „Ich habe schon mit fünf oder sechs Jahren R’n’B gehört, Sängerinnen wie Mariah Carey, Toni Braxton oder Whitney Houston. Ich war sofort in diese Musik verliebt, selbst wenn ihr Inhalt oft noch nichts für Fünfjährige war.“ Die Liebe hat sich auch danach nicht gelegt. Vor vier Jahren veröffentlichte die Sängerin ihr Debütalbum namens „Playing Chess“, das sich aus geschmackvollen Coverversionen von Songs zusammensetzte, die in den Fünfzigern die Grundsteine des Genres gelegt hatten. Für ihre neue Mini-LP kommen nun quasi die Stützräder ab, denn „Grateful“ besteht aus lauter Eigenkompositionen, die Glanz und Stil einer anderen Epoche zeigen und gleichzeitig modern klingen sollen. „Die Herausforderung war, die neuen Songs zeitgemäßer zu gestalten“, sagt Elise LeGrow. „Ich wollte die Fingerabdrücke der Klassiker, die ich liebe, aber ich wollte auch, dass sich die Musik nach mir anhört. Schließlich bin ich eine Frau im 21. Jahrhundert und nicht in den Regeln der Gesellschaft von damals gefangen, auch wenn mir der Look und die Mode sehr gefallen.“

Das zeigt sich schon an Songs wie „Drinking In The Day“. Was zu Doris Days Zeiten womöglich noch eine frivole Party-Hymne geworden wäre, nimmt hier eine dunklere Aura an. „Der Song handelt von einem Mann, mit dem ich mit Anfang 20 ausging“, erläutert die Sängerin. „Er hatte schon früh seinen Vater verloren und nie gelernt, zu trauern, schließlich durften Jungs damals nicht weinen. Das hat er sich nur einmal pro Jahr gestattet, am Todestag seines Vaters. Ein faszinierendes Ritual, wie ich fand, denn ansonsten hat er seinen Schmerz mit Alkohol betäubt.“ Was in Schwarz-Weiß-Filmen also mitunter eine düster-romantische Geschichte abgegeben hätte, ist in den Farben der Gegenwart ambivalenter. „Viele Leute halten den Song für ein fröhliches Lied, aber für mich ist es ein Alarmsignal, wenn jemand schon tagsüber trinkt“, sagt Elise LeGrow. „Außer im Urlaub. Dann ist die Margarita am Pool natürlich erlaubt.“ Zum Glück muss nicht alles auf „Grateful“ mit Warnhinweisen versehen werden, denn für die meiste Zeit ist die Platte fröhlich und dezidiert diesseitig. „Ich kämpfe dauernd gegen meine Nostalgie und meine Obsession mit der Vergangenheit an, schließlich lebe ich im Vergleich dazu in der Zukunft“, sagt die Sängerin. „Und da muss ich mein eigenes Leben führen und meine eigene Geschichte erzählen.“


Elise LeGrow

Elise LeGrow
Grateful

BMG, 11. Februar

Mehr Synths, mehr Keyboard und ein modernerer Drum-Sound – das sind die Zutaten, mit denen Elise LeGrow ihren charmanten Retro-Sound in ein neues musikalisches Gewand kleidet. Bereits mehrfach als „cleane Amy Winehouse“ gefeiert, verblüfft die kanadische Sängerin mit frühreifem Soul in der Stimme und den passenden Songs dazu.

Statt Gefallsucht von gestern regiert auf „Grateful“ allerdings das Selbstbewusstsein von heute – der Songtitel „Love Me Or Leave Me Alone“ ist da ganz wörtlich zu nehmen.

Lars Backhaus