Musik

10.09. | Album der Woche

The Vaccines • Back In Love City

Super Easy

Foto: Frank Fieber


Disneyland für Erwachsene

Ein SciFi-Film und ein Wohnungstausch lassen The Vaccines-Frontmann Justin Young von einer imaginären Großstadt träumen, die es eigentlich schon gibt.

Ihr fünftes Album trägt den Titel „Back In Love City“. Wie sieht eine solche Stadt aus?
Darüber streiten wir uns innerhalb der Band bis jetzt, gerade wenn es darum geht, Fotoshootings und Videos zu machen. Visuell ist diese Stadt kein offensichtliches Konstrukt. Für mich kommt es einer funkelnden Metropole wie Tokio gleich, die inmitten einer Wüstenumgebung steht. Man bekommt dort alles, was man sich wünscht, aber häufig nur gegen Geld.

Das klingt eher nach Las Vegas.
Das stimmt. Städte wie Las Vegas oder Tijuana sind Vergnügungsinseln voller Sünden. Unsere Stadt hat auch diese Untergrundwelten, die kühl und unverbunden sind. Wenn man aber weiß, wo man suchen muss, kann man überall Liebe finden.

Ridley Scotts „Blade Runner“ war eine Ihrer Inspirationen – nicht gerade das, was man sich unter einer Love City vorstellt.
Generell gehört die ebenso futuristische wie dystopische Umgebung dieses Films mit zur „Love City“. Städte wie Las Vegas sind Dystopien und Utopien zugleich. Für manche sind sie die großartigsten Orte der Welt, ein Disneyland für Erwachsene, für andere die Hölle auf Erden. Mein Appartement in Los Angeles lag direkt neben jenem Gebäude, in dem ein Großteil von „Blade Runner“ gedreht wurde. Ich konnte es von meinem Schlafzimmer aus sehen.

An welchen utopischen oder dystopischen Orten kommen The Vaccines ins Spiel?
Wir hatten ursprünglich die Idee, uns für dieses Album in Heavy Hearts umzubenennen, um einer Hausband in der Lobby eines teuren Hotels oder Strip-Clubs noch ähnlicher zu sein. Haben wir dann doch gelassen.

Hadern Sie 2021 mit Ihrem Bandnamen?
Ja, das ist manchmal durchaus frustrierend. Ich denke aber, dass die meisten Leute, die an The Vaccines als Band denken, nicht über das Wort und die aktuelle Situation als solche nachdenken.

Sie haben für das Album Ihre Wohnung mit einem Fremden in Los Angeles getauscht. Warum?
Ich musste für eine Zeit lang in Los Angeles an anderen musikalischen Projekten arbeiten. Mir missfiel die Vorstellung, in Hotels zu wohnen. Ich dachte, es könnte interessant sein, für eine Weile das Leben eines anderen zu leben, dessen Auto zu fahren, dessen Fitnessstudio-Karte zu benutzen und im Gegenzug mein Leben zur Verfügung zu stellen. Dass wir uns dabei nie begegnet sind, war ein lustiger Aspekt, der die Flexibilität und Anonymität von „Love City“ befeuert hat.

The Vaccines
Back in Love City

Super Easy, 10. September

Das erfolgsverwöhnte britische Quartett veräußert mit „Back In Love City“ ein grelles, phasenweise hyperventilierendes Album, das dem Pop nähersteht als dem Indierock und in seiner nervösen Euphorie eher nicht für Subversion taugt. Die Atmosphäre rund um eine imaginäre Vergnügungsstadt fangen The Vaccines dabei so clever wie kalkuliert ein – weitere Chaterfolge dürften garantiert sein. Wer aber ohnehin mit der Hektik und der Everything-Goes-Mentalität einer Großstadt hadert, wird sich durch dieses Album nicht zur Landflucht animieren lassen.

Daniel Thomas