Musik

10.02. | Album der Woche

Ben Watt • Storm Damage

Caroline/Universal

Mr. Watt, es heißt, Ihr neues Album bildet den Schlussteil einer Trilogie, die vor sechs Jahren ihren Anfang nahm. Stimmt das?
Es ist eher das dritte Kapitel in einer Serie von Alben mit einem ähnlichen Blick auf das Leben. Als Trilogie geplant waren sie ursprünglich nicht, aber im Nachhinein habe ich den Eindruck, dass sie sich verschiedene Themen teilen.

Welche Themen sind das?
Es sind Platten aus der Periode meines Lebens, die man wohl als Mid-Life beschreiben könnte. Ich lege mir selbst gegenüber Rechenschaft ab, es ist die Begutachtung eines Lebens, der Versuch, Antworten auf die großen Fragen zu finden. Zum Beispiel, was das Leben letztendlich lebenswert macht. Wenn man jünger ist, neigt man ja zu der Illusion, dass man alles unter Kontrolle hat.

Und wenn man älter ist?
Dann lernt man, dass man immer das Unvorhersehbare erwarten muss. Das Leben hat die unangenehme Angewohnheit, die besten Pläne über den Haufen zu werfen. Mit dieser Willkür muss man sich abfinden, und das tut man am besten, indem man aus den guten Zeiten das meiste herausholt. Die kleinen Siege sind wichtig.

Hilft die eigene Kreativität bei dieser Strategie? Schwer zu sagen. Es gibt Perioden, in denen ich alles andere als kreativ bin. Es fällt mir auch nicht immer leicht, meine Gefühle auszudrücken. Umso befriedigender ist es, wenn es mir gelingt; erst recht, wenn sich andere darin wiederfinden. Letzten Endes ist es auch nicht so wichtig, was ich empfinde, sondern meine Hörer. Ansonsten könnte ich genauso gut Tagebuch führen.

So weit vom Tagebuch ist „Storm Damage“ nicht entfernt. Es gibt viel Verletzlichkeit preis. Stimmt. Das bin ich auf der Suche nach Trost und Hoffnung. Zwei Dinge waren mir bei der musikalischen Umsetzung besonders wichtig. Erstens der menschliche, leidenschaftliche Aspekt eines Live-Trios. Und zweitens die atmosphärische Unterfütterung der Musik, die durch die Samples und Soundeffekte entsteht. Ich mag die Reibung zwischen diesen beiden Elementen.

Apropos Samples: Verfolgen Sie mit mittlerweile 57 Jahren immer noch die aktuellen musikalischen Entwicklungen?
Auf jeden Fall. Es gibt den Begriff des Cratediggers, also jemand, der sich auf der Suche nach neuen Klängen durch die Plattenkisten des Planeten wühlt. Diesen Instinkt habe ich immer noch. Auf Spotify kuratiere ich seit sechs Jahren eine eigene Playlist. Sie ist eine Art unendliches Mixtape mit inzwischen mehr als 1.000 Songs.


GALORE Bewertung: Nach dem Tod seines Halbbruders vor drei Jahren folgte für Ben Watt eine Phase der Einkehr. "Storm Damage" ist das Resultat dieser Trauerperiode, ein demütiges und nahbares Album, das mit klassischer Trio-Besetzung Intimität aufbaut. Die neuen Songs zwingen zur Auseinandersetzung mit der Endlichkeit, locken am Ende aber auch mit neuer Zuversicht. Auf dem zentralen "Irene" gastiert zudem der geistesverwandte Low-Gitarrist Alan Sparhawk.

Markus Hockenbrink