Kino

1.12. | Kinostart der Woche

Fragil

1.12. | Kinostart der Woche - Fragil

Die französisch-algerische Regisseurin Emma Benestan hat mit "Fragil" einen Film gedreht, bei dem Dirty Dancing auf Rohmer und algerischer Pop auf gestürzte Rollenklischees trifft. Eine Coming-of-Age-Komödie mit Tiefgang und feministischem Twist!

Emma Benestan, wenn man Sie fragt: Was ist die Geschichte von Fragil? Was würden Sie sagen?
Ich beschreibe den Film immer als eine Art Dirty Dancing auf algerische Art! Er handelt von einem Jungen, der aus Liebe tanzen lernt. Fragil ist auch der Mythos des umgekehrten Pygmalions, der griechischen Sagengestalt. Es ist die Frau, die einem Mann aus dem gewöhnlichen Leben etwas Sinnliches beibringt. "Fragil" ist aber auch ein Film über Freundschaft mit einer Bande von fragilen Jungen, Austern und Frauen, die sich nicht alles gefallen lassen!

Was bedeutet „auf die algerische Art“?
Ich habe französisch-algerische Wurzeln. Es lag mir am Herzen, einen Film mit jungen Held:innen maghrebinischer Herkunft zu drehen, ihnen eine Liebesgeschichte zu schreiben, eine romantische Komödie. Ich wollte mich von Klischees entfernen, nicht über Einwanderung oder die Integration von Jugendlichen sprechen, die oft mit Kriminellen gleichgesetzt werden, sondern einen Liebesfilm mit ihnen und für sie schreiben, in dem die Raï-Musik zur Geltung kommt. Auch die Musikauswahl sollte die Herkunft der Figuren hervorheben. Da die Musik in den meisten Romanzen aus der Popmusik stammt, wollten wir die großen Klassiker der algerischen Musik aller Generationen verwenden, um mal etwas anderes zu hören. Raï ist das Mittelmeer, die Freude, die Energie und die Kraft.

Aus welchen Gründen haben Sie sich für Ihren ersten Film für das Rom-Com Genre entschieden?
Geschichten drängen sich einem auf. Ich bin dem Thema meines Films aus vielen Gründen sehr nahe. Wie die Figuren bin ich im Süden aufgewachsen, den ich gefilmt habe. Und ich lebe immer noch dort. Darüber hinaus habe ich große filmische Erinnerungen an romantische und geistreiche Komödien aus meiner Kindheit. Ich liebe «Madame Doubfire» oder «Tootsie». Das sind sehr populäre und tiefgründige Filme. Dass mein erster Film also eine echte Liebesgeschichte ist, erscheint mir logisch. Die Arbeit, die ich lange Zeit mit dem Verein 1000 Visages gemacht habe, hat auch definitiv die Entstehung meines Films beeinflusst. Dort habe ich einige meiner Schauspieler:innen kennengelernt.

Was ist die Besonderheit des Vereins 1000 Visages?
Es handelt sich um einen Verein, dessen Ziel es ist, junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren, die aus sozialen, wirtschaftlichen oder geografischen Gründen nicht am kulturellen Angebot teilnehmen können, in die Filmbranche einzugliedern, sie durch Workshops und Schulungen in Filmberufe einzuführen. Ich habe dort lange Zeit gearbeitet. Und ich habe dort einige Kurzfilme, alle zum Thema Liebe, gedreht.

Alles ist möglich, und alles befindet sich in (Weiter-)Entwicklung für die heutige Jugend zwischen Mädchen und Jungen, Männern und Frauen. Das sagt auch der feministische Diskurs in "Fragil" aus. Inwiefern war dieser unterschwellige Diskurs für Sie wichtig?
Dieser feministische Gedanke, zusammen mit Nour Ben Salem, der Co- Autorin, ist der Ausgangspunkt des Films. Ich wollte eine Rom-Com aus dem Jahr 2021. Ob Mann oder Frau, wir sind alle gleichermaßen anfällig für Liebeskummer. Wir müssen Schluss machen mit den Codes, die uns einengen und uns dazu bringen, zu denken, dass ein Mann nicht weinen darf, wenn er verlassen wird, oder dass eine Frau nur dann glücklich sein sollte, wenn sie ihr Liebesleben zu zweit erfüllt. Mein Film ist eine Erzählung über die verschiedenen Muster rund um die emotionale Zerbrechlichkeit, die überall um uns herum herrscht. Der Feminismus von heute muss die Darstellungen von Frauen und Männern gleichermaßen hinterfragen. Und wenn das Weibliche hinterfragt wird, muss auch das Männliche hinterfragt werden. Beide sind für mich untrennbar miteinander verbunden und gleichermaßen wichtig.

"Fragil" ist auch eine Komödie in der Sonne, eine Geschichte im Sommer...
Ich drehe nicht gerne im Winter! Wir haben während des Indian Summer gedreht, wenn das Licht zu schwinden beginnt. Das ist die schönste Jahreszeit. Sie ist unendlich sonnig, was viel Energie gibt. Es macht die Körper schön, erfüllt mit Freude. Außerdem ist es die Zeit der Feste. Ich habe sehr starke Sommererinnerungen. Hier denke ich an Rohmer, an Conte d’été, das mich inspiriert und das ich sehr mag; er zeigt darin, dass alles möglich ist.

Kurzinhalt: Austernfischer Az (Yasin Houicha) wohnt mit Schwester, Mutter und seiner algerischen Großmutter in einer Küstenstadt im Süden Frankreichs. Freundin Jess (Tiphaine Daviot) hat es mittlerweile als Schauspielerin zu einiger Bekanntheit gebracht. Alles scheint perfekt zwischen den beiden, bis dann doch alles ganz anders kommt und Az sich tagelang mit Schokolade und Taschentüchern im Bett verkriecht. Gute Freunde, die Kraft der Raï-Musik, des Tanzes und eine alte Bekannte helfen ihm bald wieder auf die Beine und der mediterrane Spätsommer hält schließlich für alle noch die ein oder andere Wendung bereit.