Kino

09.06. | Kinostarts der Woche

09.06. | Kinostarts der Woche

  1. France
  2. Sundown

Profan und heilig

Mit „France“ setzt sich Regisseur Bruno Dumont mal wieder zwischen alle Stühle. Léa Seydoux präsentiert sich in der Titelrolle von ungewohnter Seite.

Léa Seydoux, stimmt es, dass Sie die Hauptrolle in „France“ nicht zuletzt deswegen spielen, weil Sie selbst auf Regisseur Bruno Dumont zugegangen sind?
Ich hatte ihn zumindest wissen lassen, dass ich gerne mal mit ihm arbeiten möchte. Seine cineastische Vision finde ich einzigartig. Er hat einmal gesagt, dass er mit seiner Arbeit immer das Heilige und das Profane des Lebens gleichermaßen zeigen wolle. Daher können seine Filme häufig ein bisschen vulgär und albern, aber auch sehr tiefgründig und subtil zugleich sein, was mich immer schon sehr angesprochen hat. Deswegen bin ich begeistert, dass es nun tatsächlich zu einer Zusammenarbeit kam.

Wie würden Sie den Film nun beschreiben? Immerhin ist er weder ein astreines Drama noch ausschließlich Komödie oder Satire…
Ich finde, „France“ ist von allem etwas. Er berührt das Publikum emotional, hält es aber gleichzeitig auch auf Distanz. Dass man den Film gar nicht so leicht beschreiben kann, ist Sinn der Sache. Bruno möchte, dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre eigenen Gedanken machen und selbst eine Haltung finden, auch zu dieser anfangs eher unsympathischen Titelfigur. Ist das nicht erfrischend? Denn in der Regel ist das Kino dieser Tage doch eine erschreckend passive Angelegenheit geworden. Die meisten Filme geben mir als Zuschauerin jedenfalls sehr unverblümt vor, was ich zu denken habe, ohne dass ich selbst irgendetwas tun muss.

Ihre Figur ist eine gefeierte Kriegsreporterin und TV-Journalistin. Wie haben Sie für die Rolle recherchiert?
Ich habe mich bei einer in Frankreich sehr bekannten Journalistin gemeldet und sie gefragt, ob sie zu einem Gespräch bereit wäre. Wir trafen uns auf einen Kaffee, aber ich glaube nicht, dass sie verstanden hat, worum es mir konkret ging. Ich habe versucht, ihr den Film als Porträt einer Frau und ihrer Traurigkeit zu beschreiben. Aber das war vielleicht nicht pragmatisch genug für sie. Um eine realistische Darstellung dieses Berufes ging es bei „France“ allerdings sowieso nicht.

Verhandelt wird auch das Thema Ruhm. Haben Sie persönlich damit je schlechte Erfahrungen gemacht?
Nicht wirklich, aber in Frankreich geht man mit Prominenten auch anders um als in den USA oder in Asien. Man kann seine Privatsphäre recht einfach schützen, und ich wurde auch noch nie von Paparazzi belagert. In meiner Freiheit eingeschränkt fühle ich mich also nicht.

Interview: Patrick Heidmann


France
9. Juni, 2 Std. 14 Min
Medien-Satire, Psychodrama und – siehe Filmtitel – Parabel auf den Zustand der französischen Gesellschaft: Wie so oft ist auch der neue Film des Regie-Exzentrikers Bruno Dumont eine ungewöhnliche Melange, die womöglich nicht jedermanns Geschmack trifft. Aber selbst wer mit dem Humor nichts anfangen kann, darf sich darüber freuen, dass Léa Seydoux, die als egozentrische TV-Größe France de Meurs in eine zusehends gravierendere Krise gerät, zu großer Form aufläuft.


Sundown
9. Juni, 1 Std. 23 Min.
Was beginnt wie ein leicht durchschaubares Drama, wandelt sich schon nach wenigen Minuten zu einer rätselhaften Odyssee, in deren Zentrum Tim Roth als lakonischer Anti-Held brilliert. Neil verbringt mit seiner Schwester Alice (Charlotte Gainsbourg) und deren erwachsenen Kindern einen klischeehaften Luxusurlaub in Acapulco, der von einem Anruf jäh beendet wird: ihre Mutter ist gestorben. Beim hektischen Aufbruch Richtung London vergisst Neil seinen Reisepass und bleibt mit dem Versprechen schnellstmöglich nachzureisen allein am Flughafen zurück. Dass hinter Neils fingierter Nachlässigkeit Kalkül steckt, löst Regisseur Michel Franco schon in der nachfolgenden Szene auf. Denn statt auf die Suche macht sich Neil Richtung Strand auf, wo er bald die Bekanntschaft einer jungen Einheimischen macht. „Sundown“ liefert keine Erklärungen, sondern ist nicht zuletzt aufgrund des völligen Verzichts auf Filmmusik eine intensive Momentaufnahme einer folgenschweren, doch entschlossenen Entscheidung.

Katharina Raskob