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09.04. | DVD der Woche

Werk ohne Autor

Werk ohne Autor

WERK OHNE AUTOR

Disney • 04. April

Die Filmbranche ist ein schnelllebiges Geschäft. Doch von dieser Art Druck lässt sich Oscarpreisträger Florian Henckel von Donnersmarck nicht beeindrucken. Acht Jahre nimmt er sich nach seinem Ausflug nach Hollywood Zeit, um wieder eine große Geschichte über Deutschland zu erzählen.

Herr von Donnersmarck, warum wollten Sie nach » The Tourist « wieder einen Film über ein deutsches Thema machen?

Meine Absicht war nicht so sehr, ein deutsches Thema anzugehen als vielmehr eines über den künstlerischen Impuls. Warum macht jemand Kunst? Wie verarbeitet ein Künstler die traumatischen Erlebnisse seines Lebens? Was kann er von seiner Kunst erwarten? Ein Kunstwerk weiß manchmal mehr als sein vermeintlicher Schöpfer. »Das Bildnis des Dorian Gray« weiß mehr über den Seelenzustand seines Sujets als die restliche Welt. Und es ist wohl kein Zufall, wenn ein Franz von Stuck im Jahr 1889, dem Jahr der Geburt Adolf Hitlers, diesen in »Die Wilde Jagd« mit unheimlicher physiognomischer Genauigkeit als berserkerhaften Wotan porträtiert, der nur Tod und Verwüstung hinterlässt.

Warum haben Sie sich für die Geschichte von der Biografie des Malers Gerhard Richter inspirieren lassen?

Die erste Idee zu dem Film kam mir, als ich die Richter-Biographie von Jürgen Schreiber las, der herausgefunden hatte, dass Richters späterer Schwiegervater ein hochrangiger SS-Arzt und Teil des verbrecherischen Apparates gewesen war, der Richters Tante ermordet hatte. Es hat mich interessiert, eine Geschichte zu entwickeln, in der ein werdender Künstler unter einem Dach lebt mit dem Menschen, der ihn mehr verletzt hat, als irgendjemand anders, was der Künstler aber – zumindest auf bewusster Ebene – nicht weiß. Dafür musste ich natürlich sehr viel erfinden. Im ersten Drittel des Films geht es ja um die Beziehung zwischen Kurt Barnert und seiner Tante. Richter hat seine Tante nie gekannt. Das letzte Drittel des Films geht darum, wie er ein Bild malt, in dem er seinen Schwiegervater als den Mörder offenbart. Ein solches Bild hat Richter nie gemalt. Insofern war sein Leben immer nur ein Inspirationspunkt. Dass so viele Spezifika aus seinem Leben in dem Film anzutreffen sind, hat eher damit zu tun, dass Richter von allen Künstlern, die ich in Vorbereitung auf den Film getroffen habe, am großzügigsten war mit seiner Zeit. Er ließ mich zig Stunden an Gesprächen bei ihm zu Hause und in seinem Studio in Köln aufzeichnen, besuchte mit mir viele Orte seiner Jugend in Dresden. Das war natürlich sehr wichtig und anregend für den Film, weil es immer spannend ist, Dichtung mit Wahrheit anreichern zu können.

Wie gehen Sie mit der Reaktion Gerhard Richters auf Ihren Film um?

Er hat den Film ja nicht gesehen, was ich natürlich bedauere. Aber auf seine negative Reaktion war ich vorbereitet. Sein Biograf Jürgen Schreiber hatte mich vorab gewarnt, dass Richter sich am Ende auch gegen mich richten würde, wie er sich am Ende gegen ihn und gegen andere gewandt hatte. Ich dachte dennoch, dass es mir anders ergehen würde, weil ich Richter zu jedem Zeitpunkt über alles auf dem Laufenden hielt. Ich habe ihm zum Beispiel bei ihm zu Hause das gesamte Drehbuch Wort für Wort vorgelesen, als ich damit fertig war. Im Beisein seiner Frau und meiner Tochter. Das war nicht, um mir irgendwie seine Billigung einzuholen, sondern, weil ich nicht wollte, dass er sich später von irgendetwas überrollt fühlt. Und damit er sieht, wieviel Fiktion in dem Film ist. Er bat mich danach trotzdem, zwei kleine Dinge zu verändern, die ihm zu persönlich waren. Diese Änderungen habe ich vorgenommen, weil sie keinen wirklichen Unterschied für die Geschichte machten und ich ihn nicht ohne Grund verletzen wollte. Dass er am Ende dennoch unglücklich über den Film zu sein scheint, ist natürlich betrüblich, aber war offenbar nicht zu verhindern. Und verändert an meiner Einstellung zu dem Film und zu ihm natürlich nichts.

Lesen Sie die Kritiken zu Ihren Filmen und wenn ja – welchen Stellenwert haben sie?

Wenn mir jemand sagt, dass es sich lohnt, eine Kritik zu lesen, weil sie vielleicht besonders gut geschrieben ist, dann lese ich hier und da schon einmal Kritik. Und freue mich über eine witzige Formulierung, auch wenn sie vielleicht bösartig ist. Aber es ist halt so, dass zum Beispiel dieser Film von einem Thema handelt, mit dem ich mich ein Leben lang recht intensiv und nun seit über vier Jahren exklusiv beschäftigt habe. Im Rahmen der langjährigen Entstehung habe ich von Hunderten von klugen Menschen Feedback bekommen, mit so vielen klugen Künstlern, Kunsthistorikern, Filmemachern usw. über jede Szene, jeden Gedanken gesprochen und diskutiert, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein Kritiker, der den Film einmal sieht und in drei Stunden unter Redaktionsdruck seine Kritik schreiben muss, mir eine wirklich neue Perspektive bieten kann. Interview: Bettina Aust

FAZIT : von Donnersmarck ist wieder ein imposantes Epos mit Klassiker-Potenzial auf internationalem Niveau gelungen. Dabei kann er sich auch auf eine großartige Besetzung – vor allem Tom Schilling in der Hauptrolle – verlassen. Die zwei Oscarnominierungen (Bester fremdsprachiger Film/Beste Kamera) waren keine Überraschung. Denn auch die Bilder von Caleb Deschanel sind großes Kino.