Musik

09.04. | Album der Woche

Brian & Roger Eno • Mixing Colours

Deutsche Grammophon · 20. März

Foto: Universal Music

Eisenbahnfarben

Eine Zugfahrt diktiert Musik: Flächen rauschen vorbei. Farben entwickeln Töne. Landschaften vermischen sich zu einer Klangfarbe. Brian Eno frohlockt.

„Mixing Colours“ hat nach Jahren die Brüder Roger und Brian Eno wieder für ein ganzes Album vereint. Noch 2019 hatten die beiden diverse Bonustracks für die Neuauflage ihrer 1983er Filmmusik „Apollo: Atmospheres & Soundtracks“ zur Mondlandungsdoku „For All Mankind“ beigesteuert. Ursprünglich war daran auch Daniel Lanois beteiligt, mit dem Brian im Anschluss häufiger zusammenarbeitete, unter anderem bei diversen U2-LPs. Doch Roger ging seit „Apollo“ eigene Wege. Er veröffentlichte Alben mit elektronischer Musik, die den Ambient-Installationen seines Bruders gar nicht unähnlich waren. Kein Wunder: Die Geschwister teilen nicht nur dieselbe musikalische DNA, sondern auch künstlerische und literarische Interessen. Auf dieser Basis entstand nun „Mixing Colours“. Die Arbeit an der Platte begann bereits 2005, ohne dass damals schon ein stringentes Album geplant war. „Es war wie das Hin und Her eines Gesprächs, das wir 15 Jahre lang führten“ beschreibt Roger den Prozess. „Nach dem Aufwachen morgens schaltete ich meine Geräte ein und begann, bevor ich richtig wach wurde, zu improvisieren. Davon schickte ich Brian Passagen, die ihn interessieren könnten. Die Idee zu einem Album entstand erst, als die Anzahl der Stücke wuchs und die Ergebnisse interessant blieben.“ „Das Album entstand fast ausnahmslos in Zügen“, erklärt Bruder Brian. „Die Musik ist perfekt für Zugfahrten. Ich fuhr durch die Landschaft, spielte mit Sounds und schuf dabei kleine Welten.“ An seinem mobilen Arbeitsplatz editierte der Ambientpionier mit Kopfhörer und Laptop Rogers Vorlagen und verwandelte dessen freiförmiges Spiel in aparte Klanglandschaften. Möglich wurde dieser kreative Ablauf durch ein MIDI-Keyboard, ein ‚Musical Instrument Digital Interface’, über das Roger aufnahm. Das speicherte seine harmonischen Bewegungen, die Länge seiner Töne und deren Dynamik, nicht aber den Sound selbst. Den wählte Brian, blieb dabei stets mit Anschlag und Volumen nahe an der Charakteristik eines Konzertflügels, was dazu beiträgt, dass eine an Schumann und Schubert erinnernde Nostalgie mitschwingt. Man kann die so entstandenen Miniaturen kaum Musikstücke nennen. Es sind in Hall getauchte Klangkleckse, deren Namen für Farbtöne stehen: Wüstensand, tiefes Safran, Grünspan, gebranntes Umbra. „Ich mag die Stimmung, die Roger geschaffen hat“, schwärmt Brian. „Ich habe mich gefühlt, als würde ich sie nachmalen.“


FAZIT: „Mixing Colours“ bringt das von Erik Satie entwickelte Ambient-Konzept von „Musik als Möbel“ in Bewegung. Der mit Brian häufig kooperierende Musiker und Softwaredesigner Peter Chilvers präsentiert dazu auf digitalen Plattformen mit der Musik unterlegte Impressionen aus Fenstern fahrender Züge. So erhält die Musik, die ohne den intellektuellen Überbau an statische Klangschalen erinnert, einen Rahmen, der sie zurück an ihren Entstehungsort bringt.

Helmut Philipps