Literatur

08.04. | Buch der Woche

Deborah Levy • Was das Leben kostet

Deborah Levy

Was das Leben kostet

Hoffmann & Campe • 160 Seiten

Dem Falschgold des Patriarchats setzt Deborah Levy die Wahrheit eines selbstbestimmen weiblichen Lebens und ein Bekenntnis zur Freiheit entgegen.

Rosenkriege enden nicht selten mit abstürzenden Kronleuchtern und Toten in pompösen Villen. Eine Trennung mit Happy End übersteigt die Vorstellungskraft der meisten Drehbuchautoren und in der Tat ist ein Leben nach der Scheidung nicht „Made in Hollywood“. Vielmehr ähnelt es oft einem Albtraum, einem Splattermovie, in dem der Kopf der Hauptdarstellerin auf Streichholzschachtelformat zusammengequetscht und mit einer fiesen Injektion wieder auf ein passendes Format gebracht werden muss. Am Ende starrt einen nicht selten ein groteskes Monster an und wenn man Pech hat, ist es das eigene Spiegelbild. Umso dringlicher brauchen wir in dieser Welt der explodierenden Scheidungsquoten Bücher wie „Was das Leben kostet“. Deborah Levys Autobiographie und Memoire gaukelt uns nicht „la vie en rose“ nach einer Scheidung vor, ermutigt Frauen jedoch, die Reise in die „schwarzbläuliche Dunkelheit“ trotz Hindernissen zu wagen. ‚Nicht zurückrudern‘ lautet ihre Devise, auch wenn die Versuchung groß ist, das sichere Boot der Ehe wieder zu entern und den Schein zu wahren. Statt Schein fordert Levy Sein. Weiblichkeit, dieses „ausgelaugte Phantom“ müsse mit neuem Leben gefüllt werden. Dafür brauche es freilich Mut und Entschlusskraft. Frauen aber verhielten sich oft wie eine Raupe mit zwei Köpfen: Mit einem falschen Bild ihrer selbst versuchten sie die patriarchale Gesellschaft zu befriedigen, vernachlässigten dabei aber ihr eigentliches Wesen. Das eigene, kluge Köpfchen einzusetzen, anstatt die selbstverleugnende Maskerade mitzuspielen, kostet Kraft. Levys Verdienst ist es, das Für und Wider einer selbständigen Existenz in die Waagschale zu werfen. Nichts aus diesem alten Leben fügt sich mehr in das neue. Der Kauf eines Zweigleins Rosmarin und einer einzelnen Pflaume muss wohlüberlegt sein. Selbst der Arbeitsplatz in einer verschimmelten Gartenlaube entbehrt des spätromantischen Ambientes des armen Poeten. Levy aber erschreibt sich selbst als Hauptfigur. Mit Worten setzt sie die Zeichen eines Neubeginns, mit Kleidung und Farben koloriert sie so lange das Leben, bis es ihr eigenes wird.Ein gewisser Hauch von Komik hält Einzug, wenn Levy im blauen Arbeitskittel und schwarzem Seidennachthemd den Siphon reinigt. Gedanken an Bridget Jones und Romcoms wie „Schokolade zum Frühstück“ keimen dennoch nicht auf. Levy setzt jede Handlung in Bezug zur Geschichte des Weiblichen. An Referenzen mangelt es nicht: Simone de Beauvoir, Emily Dickinson, Louise Bourgeois, sie alle sind Weggefährtinnen im Chaos. Diese ständige Bezugnahme ließe sich möglicherweise als Verunsicherung deuten, die literarischen Zitate könnten Levys Bojen in einem Meer der Orientierungslosigkeit sein. Begrüßenswert wäre noch mehr Vertrauen in die Stärke der eigenen Metaphorik, ist Levy doch im weiten Ozean der Weltliteratur eine trainierte Schwimmerin mit großem Durchhaltevermögen. Leid könne man, wie Beckett sagte, lebenslang erweitern wie eine „Eier- oder Briefmarkensammlung“. Courage also, Mesdames, denn wer hat schon Lust, sein Leben als hornbebrillte Philatelistin zu fristen? Ute Cohen

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